Stets Zu Diensten, Mylady
wollen so schnell wie möglich alles vergessen, was zwischen der Entführung unserer Kutsche und dem augenblicklichen Zeitpunkt liegt.”
Das war allerdings nicht so einfach. Mittlerweile hatte auch er ein Bad genommen, war von Sir Charles’ Kammerdiener rasiert und mit frischer Kleidung ausgestattet worden und betrat als der gewohnte Mr Will Shafto den Speiseraum von Ashworth Hall, wo außer den Gastgebern eine elegante Rebecca ihn erwartete.
Während des verspäteten, dafür umso üppigeren Essens kehrten seine Gedanken immer wieder zu den ausgezehrten Gestalten der Ludditen in den Wäldern zurück, zu all denen, die mit weniger Glück im Leben gesegnet waren als er selbst und seine Tischgenossen.
Es stimmt zwar, dass auch ich vor wenigen Wochen ein bettelarmer Schlucker war, dachte er bei sich, aber keinem der brotlosen Weber steht ein Weg aus dem Elend offen, wie er mir beschieden war. Von denen kann keiner seine Lieben vom Hunger befreien, indem er eine reiche Erbin heiratet!
Hatte er sich nicht selbst zum ehrlosen armseligen Hanswurst gemacht, als er nur um des Geldes willen eine Ehe einging? Dass er Beck mittlerweile aufrichtig und leidenschaftlich liebte, änderte leider an dieser Tatsache gar nichts. Schlimmer noch: Jetzt mutete er der Frau, die er liebte, einen ehrlosen, charakterlosen Ehemann zu.
Gewiss, sagte Will sich, ich habe für sie gegen Black Jack gekämpft, und das war die Tat eines achtbaren Mannes. Doch was mache ich aus mir, wenn ich wieder zu dem Leben zurückkehre, das ich an ihrer Seite geführt habe, bevor die Ludditen uns überfielen?
Der köstlich zubereitete Lammbraten, der edle Sherry aus Sir Charles’ gut bestücktem Weinkeller, all das hinterließ in Wills Mund einen bitteren Nachgeschmack. Er zahlte einen zu hohen Preis dafür.
14. KAPITEL
“Was ist mit dir, Will? Stimmt etwas nicht?” Mit wachsendem Befremden beobachtete Rebecca die Verschlossenheit und niedergedrückte Stimmung ihres Gemahls. Seit ihrer Abreise von Ashworth war eine solche Veränderung mit ihm vorgegangen, dass sie den Mann kaum wiedererkannte, der sie in der letzten Nacht ihrer Gefangenschaft im Sherwood Forest wirklich zur Frau – zu seiner Frau – gemacht hatte.
“Nichts, gar nichts”, war auch diesmal seine einzige, nicht ganz aufrichtige Antwort.
Sie waren nun schon seit zwei Tagen wieder in London, denn Rebecca hatte sich vorerst gegen eine Weiterreise nach Yorkshire entschieden, Anweisungen an Mrs Grey nach Inglebury geschickt, sie solle dort auf sie warten, und dann war das Ehepaar Shafto per Postkutsche in den sicheren Hafen der Zivilisation zurückgekehrt. Nach den Erlebnissen im Sherwood Forest stand Rebecca nicht der Sinn nach weiteren Vorstößen in den rauen Norden des Landes.
Mrs Grey war tatsächlich mit der zweiten Kutsche wohlbehalten in Yorkshire eingetroffen. Als ihre Brotgeberin sich auch am folgenden Tag nicht auf ihrem Landsitz einfand, wurde sie unruhig und benachrichtigte den örtlichen Konstabler. Eine ausgedehnte Suche nach dem Ehepaar Shafto im weiten Gebiet zwischen Nottinghamshire und Sheffield verlief erfolglos, und den dichten Sherwood Forest zu durchkämmen lag außerhalb der Möglichkeiten kleiner ländlicher Polizeistationen. Man bat lediglich die jeweiligen Friedensrichter, die Augen nach dem verschollenen Will Shafto und seiner Gemahlin offen zu halten. Sir Charles erinnerte sich daran jedoch erst, nachdem sein Schwager die wahre Identität des zerlumpten Paares enthüllt hatte, und bemühte sich nach Kräften, dieses tragische Missverständnis, wie er es nannte, mit großzügiger Gastfreundschaft wettzumachen.
Rebecca und Will hatten sich allerdings nicht dazu bewegen lassen, lange in Ashworth Hall zu verweilen, sondern gleich nach einem erholsamen Schlaf in aller Frühe ihre Rückreise nach Süden angetreten.
Wie, um alles in der Welt, soll ich ihr begreiflich machen, dass ich unmöglich weiter als ihr Anhängsel leben kann, fragte Will sich ein um das andere Mal verzweifelt, während sie in der unbequemen Postkutsche durchgerüttelt wurden. Ich muss endlich selbst etwas Vernünftiges auf die Beine stellen, denn so, als Mitgiftjäger, der auf Kosten seiner Frau lebt, kann ich nicht einmal vor mir selbst bestehen, geschweige denn vor ihr. Sie hat Besseres verdient als einen Hanswurst von Ehemann!
Er musste sich selbst genauso wie Beck beweisen, dass er es wert war, von ihr geliebt zu werden. Gewiss, er hatte für sie Black Jack bekämpft und geschlagen,
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