Steueroasen Ausgabe 2013
Gesamtsteuerbetrag von rund 500 Milliarden Dollar, der den Entwicklungs- und Schwellenländern dadurch jährlich verloren geht, übertrifft die rund 100 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe bei Weitem.
Dabei sind die klassischen Steueroasen in vielerlei Hinsicht ein fiktiver Raum. Sie existieren zwar als geographisches Gebiet mit eigenem Namen. Die Tätigkeiten, die durch sie ermöglicht werden, gleichen sich jedoch meist in einer Hinsicht: Auch wenn ein Unternehmen in einer Steueroase eingetragen ist, ist es ihm satzungsmäÃig untersagt, vor Ort geschäftlich tätig zu werden.
Quelle: Oliver Wyman/ECONOMIST
Es scheint also nur so, als sei die Gesellschaft aktiv. Hinzu kommt, dass eine in einer Steueroase registrierte ausländische Gesellschaft der dortigen Regierung fast keine Informationen liefern muss. Auch wenn Namen und Adressen der Anteilseigner und Direktoren heute wegen der Geldwäschevorschriften angezeigt werden müssen, wird vor Ort so gut wie nie darauf bestanden, dass diese auch der Ãffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zudem ist die Einsetzung von Treuhändern möglich, die mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit der Steueroasen-Gesellschaft nichts zu tun haben. Treuhänder treten für die Offshore-Gesellschaften nach AuÃen auf, die tatsächlichen Akteure bleiben jedoch im Hintergrund.
Ãberhaupt zeichnet Intransparenz die Steueroasen-Welt aus. Vor allem, weil viele Gesellschaften von Stiftungen oder Trusts gehalten werden. Diese sind selbst wiederum in Offshore-Gebieten registriert, doch häufig nicht in der gleichen Steueroase wie das abhängige Unternehmen. Die Treuhänder solcher Stiftungen und Trusts, die meist nur die Funktion von Strohmännern übernehmen, sitzen in der Regel in dritten Steueroasen. Dabei baut die Steuervermeidungsindustrie auf folgende Erkenntnis: Wenn drei verschiedene Steueroasen âim Spielâ sind, werden ausländische Steuerbehörden es sehr schwer haben herauszufinden,
was bei den einzelnen Gesellschaften wirklich vor sich geht,
wie Geschäftstransaktionen zusammenhängen und
wer davon im Einzelfall profitiert.
Daneben gibt es einen weiteren Vorteil für die Akteure: Offiziell sitzen die Gesellschaft, die Stiftung/der Trust und die Treuhänder in verschiedenen Hoheitsgebieten. Damit kann gleichzeitig jeder einzelne Akteur behaupten, nicht in dem Land tätig zu sein, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.
Die Geschäftsaktivität, die in einer Steueroase vor sich geht, findet also scheinbar im Nirgendwo statt. Das bedeutet, dass die Beteiligten niemandem Rechenschaft schuldig sind, an niemanden Steuern zahlen müssen und nicht verpflichtet sind, irgendetwas zu melden: Sie sind quasi nicht existent.
In der Steueroasen-Welt können also Strukturen geschaffen werden, die zwar in der realen Welt eine tatsächliche Funktion haben. Sie nehmen dabei jedoch keine transparente juristische Form an. Somit müssen ihre Existenz oder die Beschaffenheit ihrer Aktivitäten nicht offengelegt werden. Dies ermöglicht auch eine Vielzahl illegaler Aktivitäten:
Steuervermeidung bleibt gröÃtenteils unentdeckt.
Kapitalflucht wird vereinfacht.
Finanzaktivitäten aus Geldwäsche, Drogen- und Menschenhandel, Prostitution etc. bleiben gröÃtenteils unaufgedeckt.
Der Begriff Steueroase hat sich in den letzten Jahren zu einem umstrittenen Ausdruck entwickelt. Der Einfachheit halber werden hier steuerlich attraktive Standorte als Steueroase bezeichnet. Die Verwendung soll keinerlei Beurteilung jedweder Art der Integrität irgendeines bestimmten Steuerregimes implizieren.
2. Was eine Steueroase bieten muss
Politische und wirtschaftliche Stabilität
Geltendes Steuersystem
Gesellschaftsrechtliche Bestimmungen
Bankverbindung
Infrastruktur
Telekommunikationsmöglichkeiten
Sachkenntnis
Weltweit buhlen rund 70 Steueroasen und Offshore-Finanzzentren um die Milliarden der Reichen und um Geschäftstransaktionen international ausgerichteter Unternehmen. Jede dieser Destinationen hat ihre Eigenheiten und speziellen Vorzüge. Doch um im internationalen Geschäft überhaupt bestehen zu können, müssen folgende Faktoren gegeben sein:
Politische und wirtschaftliche Stabilität
Wichtigstes Kriterium bei der Wahl einer Steueroase sollte ihre politische und wirtschaftliche Stabilität sein. Denn Null-Steuern verpuffen, wenn das investierte Kapital dort zum
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