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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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erklärte Lamartine entschlossen. »Ich werde dafür
     sorgen, daß gegen die Zeugen ermittelt wird: wegen falscher Beschuldigung und Irreführung der Behörden.«
    Der Kellner brachte die beiden Tassen mit Kaffee und ging schnell wieder zum Tresen zurück. Lamartine blies seinen Kaffee
     kalt, Danquart trank in großen Schlucken. Lamartine wunderte sich, daß sein Kollege sich nicht den Mund verbrannte.
    »Sie begehen einen großen Fehler, Monsieur Lamartine«, sagte Danquart schließlich leise. »Diese Frau ist eine Verbrecherin,
     und sie gehört auf die Guillotine. Wenn Sie das verhindern wollen, werden Sie Schwierigkeiten bekommen   ...«
    »Wollen Sie mir drohen?« fragte Lamartine laut.
    »Ich will Sie warnen.«
    In diesem Augenblick hielt eine Kutsche vor dem »Le canard«, und ein hagerer Mann in einem schwarzen Gehrock schlüpfte durch
     die nun unverschlossene Tür des Restaurants. Lamartine nahm einen vorsichtigen Schluck und verbrannte sich. Obwohl er den
     Kaffee lieber schwarz trank, goß er ein wenig Milch aus dem Glaskännchen in seine Tasse und trank sie dann in zwei Schlücken
     leer. »Zahlen!« rief Lamartine; er legte das Geld abgezählt neben seine Tasse. Er stand auf. Danquart hielt immer noch die
     Tasse an seine Lippen. Er wirkte geistesabwesend.
    »Wir müssen hinüber!« befahl Lamartine. Danquart gehorchte mechanisch, er stellte die Tasse hin und erhob sich.
     
    Die Tür zum »Le canard« war wieder verschlossen. Lamartine schlug mit der Faust erst gegen den Rahmen und – als sich drinnen
     nichts regte – gegen die Glasscheibe. Es wurde aufgeschlossen. Der Alte stand in der Tür. »Was gibt’s?!« fuhr er die beiden
     an.
    »Polizei!« erklärte der Inspektor und drückte ihn zur Seite.
    Der Speisesaal war für etwa zwanzig Personen mit Brokattischdecken und Tafelsilber eingedeckt. Die Angestellten, die sich
     bei Lamartines letztem Besuch noch in schäbiger Kleidung um den Eintopf geschart hatten, trugen livréeähnliche Uniformen.
     Aus der Tür zur Küche drang der Geruch von Bratensoße in den hellerleuchteten Raum, dessen Fenster verhängt waren.
    Der Herr in dem schwarzen Rock saß steif an einem für sechs Personen eingedeckten Tisch und trank seinen Aperitif. Er nickte
     Lamartine und Danquart zu.
    »Wo ist der Patron?!« schrie Lamartine.
    Niemand gab ihm eine Antwort. Plötzlich bewegte sich Danquart, Lamartine wandte sich um und bemerkte, daß sein Kollege grinste.
     Er las Häme in Danquarts Blick. Danquart schob seinen Chef sanft beiseite und ging an ihm vorbei zu dem Tisch des schwarz
     gekleideten Mannes. Er beugte sich zu ihm herab und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dabei bewegte der Mann keine Miene, er sah
     unverwandt Lamartine an.
    Der Mann nickte. Dann bat er Lamartine mit einer knappen Bewegung heran. Danquart schob einen Stuhl zurecht. Lamartine ging
     ein paar Schritte, deutete eine Verbeugung an und nahm Platz. Er sah dem Mann ins Gesicht: Er war fahl, seine Wangen waren
     eingefallen, er sah krank aus.
    Der schwarz gekleidete Gast winkte den Alten heran und deutete auf Lamartine. Daraufhin fragte der Alte den Polizisten, welchen
     Aperitif er zu trinken gedenke. Lamartine entschied sich für einen Anislikör. Der Alte hantierte kurz an der Anrichte, brachte
     dann den Likör und klappte vor dem Polizisten eine großformatige Karte auf. »Sie sind mein Gast!« erklärteder Mann in Schwarz und straffte seinen Oberkörper. »Lecoq. Wir sind Kollegen.«
    Nun wußte Lamartine, wen er vor sich hatte. Lecoq war der Chef der Politischen Polizei von Paris, und er hatte den Rang eines
     Polizeidirektors, stand also in der Hierarchie weit über dem Inspektor der Mordkommission. Lamartine sah auf die Karte. Es
     gab drei Menüs zur Auswahl. Er entschied sich für den Schulterbraten nach provenzalischer Art, denn er mochte den Geschmack
     von Thymian am Fleisch. Mit dem Zeigefinger deutete er auf das Menü seiner Wahl, der Alte nickte und verschwand.
    »Ich dachte mir schon, daß Sie heute abend hierherkommen würden. Wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen«, erklärte
     Lecoq. Obwohl seine Erscheinung durch die langen, hölzernen Glieder und den schwarzen Rock etwas Beunruhigendes hatte, wirkte
     sein Gesicht fast sanft. Seine Wimpern waren eisgrau, seine Lippen dünn, aber nicht verschlagen. Lecoqs tiefliegende Augen
     glichen durch ihre Lebhaftigkeit die eisige Starre des Körpers aus.
    »Sie sind ein guter Polizist!« sagte Lecoq. »Ich wäre stolz darauf,

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