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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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einen Mann wie Sie in meiner Abteilung zu haben.«
    »Die Arbeit der Politischen Polizei wäre nichts für mich«, entgegnete Lamartine, er gab sich Mühe, nicht herablassend zu klingen.
     »Ich bin eher ein Kriminalist vom alten Schlage, einer, der sich die Füße wund läuft.«
    Lecoq sah ihn stumm an. Dann seufzte er, es klang etwas theatralisch. Lamartine nahm sich vor, sich in acht zu nehmen. »Wir
     haben einen gerissenen Feind, Monsieur Lamartine. Dem ist mit dem üblichen Brimborium der Geheimpolizei nicht beizukommen.
     Vielleicht würde es ein Kriminalist vom alten Schlage schaffen. Er ist nämlich auch so einer – er hat wie Sie als Kriminalpolizist
     angefangen. Und jetzt ist er mein Gegenspieler   ...«
    »Ich weiß nicht, wen Sie meinen   ...«
    »Er heißt Stieber. Manchmal nennt er sich Schmidt. Er trittals Kunstmaler, als Jäger oder als Redakteur auf. Das heißt, solche Maskeraden hat er längst nicht mehr nötig. Er ist der
     Chef des deutschen Geheimdienstes   ...«
    Lamartine lächelte schwach. »Ich ermittle bloß in einer Mordsache.«
    »Gut!« sagte Lecoq. »So lassen Sie uns über Ihren Toten sprechen! Er hat hier gearbeitet. Deshalb sind Sie hier, das verstehe
     ich, Sie tun Ihre Pflicht. Es liegt in meinem Interesse, wenn Sie den Mörder des Kochs finden, Monsieur Lamartine. Aber glauben
     Sie mir: Hier werden Sie ihn nicht finden. Gaston Franc ist nicht hier ermordet worden.«
    Lamartine schwieg, er glaubte Lecoq.
    Der Alte ging am Tisch der Männer vorbei und öffnete die Tür zur Straße. Etwa zehn bis fünfzehn Gäste strömten so schnell
     herein, als hätten sie die ganze Zeit draußen auf den Einlaß gewartet. Es handelte sich durchweg um wohlhabende Pariser, wie
     Lamartine an ihrer Kleidung erkannte. Während sie beim Eintreten noch gedrängelt hatten, gaben sie sich, sobald sie die festlich
     eingedeckten Tafeln und die Livrierten erblickten, wohlerzogen. Die männlichen Gäste begannen halblaute Konversationen, begrüßten
     gegenseitig ihre Damen und machten Verbeugungen voreinander.
    Lamartine kannte einige der Gäste. Es waren Honoratioren, die er bei Gerichtsverhandlungen oder bei offiziellen Feierlichkeiten
     schon gesehen hatte. Ein prominenter Frauenarzt war darunter, aber auch ein hoher Beamter der Stadtverwaltung und sogar ein
     Abgeordneter der Nationalversammlung, der – wie Lamartine aus seiner Zeitung wußte – in Rouen eine Fabrik für Transportmaschinen
     besaß und vor einiger Zeit in eine Affäre um erschwindelte Staatsgelder verwickelt war.
    Lecoq beugte sich leicht zu Lamartine hinüber. »Wie Sie sehen, beginnt gleich das Essen. Wir sollten unsere beruflichen Gespräche
     zu Ende bringen, damit wir die Köstlichkeiten in besserer Laune genießen können   ...«
    Lamartine fühlte sich unbehaglich, die Gelassenheit Lecoqs und die Anwesenheit der hochrangigen Gäste irritierten ihn. Er
     hatte das Gefühl, daß etwas Bedeutendes hinter seinem Rücken vorging, von dem alle außer ihm wußten – auch Danquart. Lamartine
     spürte, daß er sich auf ein Terrain vorgewagt hatte, auf dem seine Befugnisse als Inspektor der Pariser Mordkommission nichts
     galten.
    »Lassen Sie uns über den Fall der Léontine Suétens reden!« befahl Lecoq.
    »Was interessiert Sie dieser Fall?« fragte Lamartine schnell.
    Lecoq sah ihn lange an. »Danquart berichtet mir, daß Sie anderer Meinung sind als er.«
    »Das ist mein gutes Recht als verantwortlicher Vorgesetzter.«
    »Nun seien Sie doch nicht gleich gekränkt, Lamartine! Niemand tastet Ihre Rechte als Inspektor der Mordkommission an. Aber
     selbst ein erfahrener Kriminalist wie Sie kann sich irren – und dann sollte er dankbar sein für jede Hilfe unter Kollegen.«
    »Wie sieht diese Hilfe aus?«
    »Sagen Sie uns, was Sie benötigen, und wir kümmern uns darum. Wollen Sie neue Zeugenaussagen? Wollen Sie mehr Indizien? Wollen
     Sie   ...«
    »Das ist nicht Sache der Politischen Polizei!«
    »Ich bitte Sie, Lamartine, wenn man sich untereinander helfen kann   ...«
    »Wenn Sie das wollen, so tun Sie es im Falle des Toten aus dem Bois de Boulogne.«
    Lecoq schaute sich nach Danquart um, dann wandte er sich wieder Lamartine zu: »Danquart hatte recht: Sie sind kein einfacher
     Mensch, Lamartine. Aber wenn ich es mit einfachen Menschen zu tun haben wollte, hätte ich einen anderen Beruf ergreifen müssen.«
    Die Tür zur Küche wurde weit geöffnet, der Alte erschien – jetzt in einem schwarzen Frack und mit einem

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