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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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wissen müssen, wer die begehrten Freipässe ausstellte. Der Alte antwortete militärisch knapp: »Franc hat mir alles
     erklärt: Nur das Kriegsministerium ist in der Lage dazu. Es bekommt die Blankoformulare für die Passierscheine von den Deutschen.
     Sie sind eigentlich für hochstehende Personen bestimmt   ... für hochstehende Franzosen, meine ich.«
    »Was unser Koch ja nicht gerade war   ...«
    »Die Deutschen haben bestimmt selbst Köche. Wenn auch nicht so gute wie wir. Aber Franc war kein Meister seines Faches. Ich
     bin sicher, der war im Feld besser aufgehoben als am Kochtopf   ...«
    Lamartine stand auf und streckte Brunoy die Hand entgegen. »Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe   ...« Als der Alte ihn erwartungsvoll anschaute, brachte Lamartine es doch übers Herz und sagte leise: »Frankreich dankt Ihnen
     für Ihre Hilfe.« Dieschmale Brust des Veteranen schwoll etwas an, und er reichte Lamartine seine knochige Hand, die sich so kalt anfühlte, daß
     Lamartine sie schnell wieder loszuwerden versuchte.
     
    Brunoy gab Danquart die Türklinke in die Hand, als er Lamartines Büro verließ. »Benötigen Sie noch irgendwelche Informationen
     zum Fall der Kindsmörderin?« fragte Danquart.
    Lamartine sah den Neuen lange an. Dann fragte er: »Was hat Sie dazu bewogen, diesen alten Fall wiederaufzunehmen?«
    Danquarts Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Die Maske der Freundlichkeit verschwand und offenbarte für eine Sekunde
     Danquarts Gefühle: Er haßte Lamartine.
    Der Inspektor erschrak. Er war ein Mensch, der es schwer verkraftete, wenn ihn jemand nicht mochte. Er erschrak so sehr, daß
     er – ohne über andere Ursachen für Danquarts starke Gefühle nachzudenken – sofort die Schuld dafür bei sich zu suchen begann.
     Legte er einem ehrgeizigen und fleißigen jungen Polizisten Steine in den Weg? Schikanierte er seine Untergebenen?
    »Ich glaube, es war die Sorglosigkeit, mit der diese Frau das Leben eines Kindes zerstörte«, antwortete Danquart, als er sich
     wieder gefangen zu haben schien. »Einfach zur Seine hinunterzugehen und das kleine Wesen ins Wasser zu werfen.«
    Was Lamartine ernüchterte, waren die Worte »das kleine Wesen«. Sie klangen falsch, und der Inspektor hatte ein Gehör für falsche
     Töne. Danquart war ein Heuchler, dessen war sich Lamartine nun sicher. Er stand auf und sagte: »Kommen Sie mit!« Er nahm seine
     vom feuchten Wetter noch klamme Pellerine vom Garderobenständer und trat in den Flur hinaus.
    »Wo führen Sie mich hin?« fragte Danquart, als sie das Foyer erreicht hatten. Von draußen drang der Lärm herein, den die Menschen
     bei Kundgebungen und beim Bau der Barrikaden verursachten. Lamartine antwortete nicht. Im Portal zögerte Danquart. »Haben
     Sie’s gehört?« fragte er. »Thiers hat die Nationalgarde entwaffnen lassen.«
    Lamartine zuckte mit den Achseln. »Eine Vorsichtsmaßnahme oder einfach nur eine Anordnung, die dem Volk zeigen soll, daß es
     noch eine Regierung hat   ...«
    »Ich glaube, es wird Gewalttätigkeiten geben«, entgegnete Danquart gereizt. »Die Lage ist so gespannt, daß es durchaus zu
     einem Staatsstreich kommen kann   ...«
    »Wenn schon, dann zu einer Revolution!« korrigierte ihn Lamartine gelassen. »Vergessen Sie nicht, daß wir das einzige Volk
     auf der Erde sind, das eine gewisse Routine in diesen Dingen hat. Es wird alles gut ausgehen.«
    »Ich weiß nicht, ob es klug ist, auf die Straße zu gehen«, sträubte sich Danquart.
    »Alle tun es!« antwortete Lamartine knapp, und als er bemerkte, daß Danquart das Gebäude noch immer nicht verlassen wollte,
     fügte er hinzu: »Es kommt immer darauf an, auf welcher Seite man steht.«
    »Auf welcher Seite stehen Sie?« fragte Danquart schnell.
    »Auf keiner«, antwortete Lamartine. »Ich bin Polizist. Und ich habe einen Mordfall aufzuklären.«
    Danquart nickte. Nun folgte er Lamartine ins Freie.
     
    Als die beiden am Restaurant »Le canard« eintrafen, waren die Fenster dunkel und die Türen des Hauses verschlossen. Danquart
     schien erleichtert zu sein. Lamartine führte ihn in das kleine Bistro, das gegenüber dem Restaurant lag. Der Kellner begrüßte
     Lamartine. »Ihre Suche nach Arbeit hat sich wohl erübrigt?« fragte er, während er mit einer Bewegung seines Ärmels den kleinen
     Tisch abwischte, an dem die beiden Polizisten Platz nahmen.
    »Wieso?« fragte Lamartine.
    »Naja, jetzt wo wir bald einen neuen Staat haben werden«, antwortete der

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