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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Kellner.
    »Glauben Sie, wir müssen in Zukunft nicht mehr arbeiten?«
    »Die Arbeiter werden sich ihre Arbeit selbst zuteilen, niemand wird ihnen mehr reinreden können.«
    »Und die Köche auch?«
    »Sie sind doch auch ein Arbeiter – wie ich!« bellte der Kellner verärgert.
    Lamartine bemerkte, daß Danquart vor Zorn bebte. »Zwei Kaffee!« bestellte er. Der Kellner war enttäuscht darüber, daß das
     Gespräch so abrupt endete, er schlurfte zur Theke und kümmerte sich um die Bestellung. »Hoffentlich werden in dem neuen Staat,
     den wir nun bekommen sollen, die Kellner nicht bestimmen, was die Gäste zu konsumieren haben«, flüsterte Lamartine Danquart
     zu. Der biß sich so fest auf die schmale Unterlippe, daß sie weiß wurde, und entgegnete harsch: »So ein Unsinn! Diese Großmäuler
     landen alle im Gefängnis.« Da wurde auch Lamartine, der schnell gekränkt war, wenn man seine Friedensangebote ablehnte, wieder
     sehr ernst. »Diese Suétens – was ist das für eine Person?« fragte er.
    »Eine ehemalige Straßenhure, die sich in ein warmes Nest gesetzt hat. Als ein Bastard ihr Arrangement mit dem Wirt gefährdete,
     ermordete sie ihr Kind   ...«
    »Und Sie meinen, sie hat den Tod verdient?«
    »Darüber entscheiden die Gerichte. Aber wenn Sie mich ganz persönlich fragen: Ja, sie hat kein Recht mehr weiterzuleben.«
    »Auch nicht unter einer neuen Regierung? Unter einer Regierung der Kommune?«
    Danquart machte ein verächtliches Gesicht. »Auch die wird es sich nicht erlauben können, Gesetze gegen die Natur zu erlassen.
     Wenn Mütter ihre Kinder in die Seine werfen und dafür auch noch belohnt werden, wird die Kommune bald ausgestorben sein –
     mangels nachwachsender Kommunarden   ...«
    »Aber die Aufständischen wollen doch auch, daß die Frauen mehr Rechte bekommen. Es heißt, es stehen fast so viele Frauen auf
     den Barrikaden wie Männer.«
    »Na und? Das sind Marketenderinnen. Mit den Frauen, die unsere Kinder aufziehen und unsere Häuser führen, damit wir arbeiten
     können, haben diese Flintenweiber nichts gemein   ...«
    Lamartine grinste, denn er wußte, daß Danquart unverheiratet war und sich Frauen gegenüber so ungeschickt benahm, daß er es
     wohl auch bleiben würde.
    »Finden Sie das lustig?!« fuhr Danquart ihn an.
    Der Inspektor ließ sich nicht beirren, er wußte, worauf er hinauswollte. »Ich kann mir vorstellen, daß eine Regierung, die
     den Frauen mehr Rechte einräumt, auch anders über unseren Fall urteilen wird. Man wird der Suétens zugute halten, daß sie
     sich in einer schweren Notlage befand. Daß sie damit rechnen mußte, daß der Wirt sie und ihr Kind aus dem Haus warf   ... falls es wirklich nicht von ihm war. Daß sie wieder auf den Strich gehen mußte   ... Und die Jüngste ist sie ja nicht mehr. Unter diesen Umständen wird man sie auch nicht mehr wie eine gemeine Mörderin behandeln   ...«
    »Wollen Sie aus ihr eine Volksheldin machen?!« zischte Danquart.
    Lamartine winkte müde ab. »Ich sagte Ihnen doch: Ich gehöre zu keiner Seite der kämpfenden Parteien. Ich bin bloß ein Polizist
     und ein Bürger, der sich abends für Politik interessiert.«
    »Erstens hat dieser Fall nichts mit Politik zu tun   ...«
    »Und da sind Sie sich ganz sicher, Danquart?« unterbrach ihn Lamartine.
    Danquart schrie seinen Chef nieder: »Zweitens wird es diesen Staat, von dem die Habenichtse jetzt faseln, nie geben. Ich sage
     Ihnen doch, Monsieur Lamartine, in wenigen Tagen sitzen diese Kommunarden alle im Gefängnis   ...«
    »...   oder sie sind tot – wie Léontine Suétens.«
    Danquart schmales Gesicht verzog sich. Er hatte bemerkt, daß Lamartine ihn aus der Fassung hatte bringen wollen. Lamartine
     war ein erfahrener Verhörführer, er wußte, daß dieser kurze Moment der Einsicht eine Schwäche des Verhörten war – und er nutzte
     diese Schwäche.
    »Von den Zeugen haben wir Akten. Ich habe sie mir mal näher angesehen. Einer der beiden Clochards saß im Gefängnis   ...«
    Danquart atmete schneller. »Ich bitte Sie, welcher Pariser Clochard hat noch nicht gesessen?!« stieß er hervor.
    Lamartine blieb gelassen. »Er saß während der Tat im Gefängnis!« Er beobachtete Danquarts Kieferknochen, die sehr weit hinten
     saßen und kraftvoll mahlten.
    »Es muß sich um eine Falscheintragung handeln, ich werde das nachprüfen   ...« entgegnete Danquart nach einer Ewigkeit.
    »Es wird diese Anklage nicht geben, solange ich Chef der Abteilung bin«,

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