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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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bewähre, erzählte Bouvet weiter, bestünde die Möglichkeit, in
     wenigen Wochen schon wieder den Kampf gegen die deutschen Besatzer aufzunehmen, falls ihm überhaupt noch daran gelegen sei.
     Bouvet berichtete stolz, er habe dem Gast gegenüber seinen Kampfeswillen und seinen Haß gegen die Eindringlinge, die schließlich
     seine junge Frau und sein Kind auf dem Gewissen hatten, bekräftigt.
    Stieber und Lamartine waren sehr zufrieden, sie baten Bouvet, erst in zwei oder drei Tagen sehr vorsichtig mit ihnen Kontakt
     aufzunehmen, da zu befürchten war, daß Lecoq Neuzugänge zu seiner Geheimorganisation beobachtete. Bouvet willigte ein und
     verwies auf seine jahrelange Erfahrung als Polizist: Ohne daß er es wollte, würde ihm kein auch noch so geschickt observierender
     Mitarbeiter Lecoqs folgen können.
    Dann trennten sich die drei Männer. Jeder von ihnen ging in eine andere Richtung davon.
     
    Nach Ablauf der verabredeten Frist von zwei Tagen saßen Stieber und Lamartine von morgens bis abends in dem engen Büro im
     Justizpalast und warteten auf eine Nachricht von Bouvet. Obwohl sie zu Anfang nicht viel sprachen, kamen sich die beiden Männer
     im Laufe der Zeit näher. Stieber erwähnte einmal, daß er sich nach seiner Heimat sehne. Seit Monaten habe er Berlin nicht
     mehr gesehen, der ganze Feldzug sei ihm von Anfang an ein Greuel gewesen – nicht nur weil er Frankreich eigentlich liebe und
     nie als feindliches Land angesehen habe, auch weil er mit Leib und Seele Kriminalist sei und die Großstadt Berlin als sein
     ureigenstes Arbeitsgebiet ansehe. Zum Dienst als oberster Feldpolizist habe ihn der preußische Ministerpräsident Bismarck
     gedrängt, für dessen Sicherheit er in Berlin verantwortlich war. Daß er unter der Abwesenheit von seiner Heimatstadt litt,
     wagte Stieber seinem Dienstherrn gegenüber nicht zu erwähnen, da dieser der Inbegiff eines preußischen Pflichtmenschen sei
     und sich selbst alle die Unannehmlichkeiten zumute, die dieser Krieg für die einfachen Rekruten mit sich brachte.
    Die Offenheit des Deutschen rührte Lamartine, und er begann, von seiner kleinen Familie zu erzählen: von dem Kind, von dem
     er so sehr hoffte, daß es ein Junge werden würde, und von Jeanne, die er eigentlich immer noch liebte. Sogar seinen Kummer
     mit den schwierigen Schwiegereltern vertraute er Stieber an.
    Dieser sagte lange kein Wort, er hörte nur sehr genau zu, zog ab und zu die linke Augenbraue hoch, nickte auch bisweilen oder
     schüttelte den Kopf, wenn die Rede auf die Mutter Jeannes kam. Lamartine fühlte sich danach viel besser – es war fast so,
     als habe er sich mit Jeanne wieder versöhnt.
    Der Preuße war anders als die Menschen, mit denen Lamartine sonst zu tun hatte. Selten kam ein unbedachtes Wort über seine
     Lippen, er nahm alles sehr ernst, fluchte nie, bildete sich seine Meinung nicht voreilig, schien auch keine vorschnellen Urteile
     über politische Fragen zu fällen und war auf eine Lamartine beeindruckende Weise tolerant den menschlichen Schwächen gegenüber.
     Einen Mann wie Stieber – gestand sich Lamartine ein – hätte er gerne zum Freund gehabt, ja, zum ersten Mal sah er es als einen
     Mangel an, überhaupt keinen Freund zu haben.
    Mit Stieber war es auch etwas anderes als mit Jeanne, die sich über Politik nur widerstrebend unterhielt. Stieber dachte wie
     Lamartine, er war ein politischer Mensch, der allerdings der Meinung war, daß ein Polizist gut daran tue, immer auf dem laufenden
     zu sein, sich aber strikt aus der Politik herauszuhalten. Das war auch das Glaubensbekenntnis von Lamartine, und wie jeder
     gläubige Mensch genoß er es, jemanden zu treffen, der an das glaubte, wovon auch er überzeugt war.
    Am dritten Tag fragte Stieber Lamartine nach Details seiner beruflichen Arbeit. Lamartine schilderte ihm seinen Tagesablauf
     und berichtete knapp von den zwei, drei großen Mordfällen, die er erfolgreich abgeschlossen hatte. Noch während er – gelassen
     und ohne die Dinge aufzubauschen – darüber sprach, kam ihm plötzlich der Gedanke, daß dem Leiter der deutschen Feldgendarmerie
     die kleinen Pariser Kriminalfälle, mit denen er sich herumschlug, läppisch vorkommen mußten.
    Stieber schien das zu bemerken, denn er unterbrach Lamartine unvermittelt: »Sie werden es nicht glauben, aber ich habe bis
     vor gar nicht allzu langer Zeit nichts anderes getan als Sie. Und es waren nicht einmal immer Mordfälle, in denen ich ermittelte.Sie müssen wissen,

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