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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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zu entlasten. Aber ich fing Briefe ab, in denen
     sie falsche Zeugen und Beweisstücke zugunsten der Angeklagten ankündigten. Vor allem ging es ihnen um die Beseitigung des
     ehemaligen Emissärs Haupt, der dem Gericht die wichtigsten Verbindungen der Kölner Verschwörer zu der Londoner Zentrale verraten
     hatte. Dieser Kronzeuge wurde unablässig mit Morddrohungen unter Druck gesetzt. Es gelang den Londonern, ihn so zu verängstigen,
     daß er kurz vor dem Beginn der Kölner Hauptverhandlung nach Amerika flüchtete.«
    »Sie hatten von Ihnen gelernt!«
    »Ich bitte Sie, Lamartine: Ich bin Polizist und drohe niemandem mit Mord. Übrigens fielen die Kölner Urteile trotzdem drakonisch
     aus. Röser wurde wegen versuchten Hochverrats zu sechs Jahren, Dr.   Becker wurde zu fünf Jahren verurteilt. Die übrigen Angeklagten wurden teils zu drei Jahren Haft verurteilt, teils freigesprochen.«
    »Sie wurden natürlich wieder befördert«, sagte Lamartine bitter.
    »Ja. Aber wie es so ist: Man zeigte mir auch meine Grenzen auf. Mein Erfahrungsbericht über die Aktionen gegen die Kommunisten
     wurde von der königlichen Hofdruckerei in zwei Bänden gedruckt. In dieser Schrift machte ich mir auch meine Gedanken über
     die Ursachen der Verschwörungen. Am Ende des Berichtes stand eine kleine Notiz: Die Ursache für alle Verschwörungen ist nichts
     anderes als die grassierende Armut. Bestes Mittel gegen Verschwörungen sei deshalb die Bekämpfung der Armut. Dies sei allein
     durch bessere Bildung und Entlohnung der Arbeitenden zu erreichen. Höheren Orteswurden meine Ansichten als liberal kritisiert – was damals eines der schlimmsten politischen Attribute war. Ich zog mir die
     Feindschaft des preußischen Justizministers Simons zu. Für Simons sind politische oder soziale Begründungen eines Umsturzversuches
     nichts anderes als Beschönigungen. Trotz meiner Erfolge galt ich plötzlich als eine Art Sympathisant der Verschwörer. Dabei
     hatte ich doch nur verhindern wollen, daß es in Zukunft zu weiteren Umsturzversuchen kommt.«
    »Das klingt ja so, als   ...«
    »Richtig, Monsieur Lamartine. Man steckte mich ins Gefängnis.«
    Damit hatte Lamartine nicht gerechnet. Er schwieg.
    Stieber erhob sich. Es war spät geworden. Bouvet würde an diesem Tag nicht mehr kommen.
     
    Am Abend des fünften Tages – das Polizeigebäude war schon menschenleer – öffnete sich in einem Moment völliger Stille die
     Tür, und Bouvet trat ein. Wie verabredet, hatte Lamartines Untergebener das Gebäude durch den Keller eines benachbarten Hauses
     betreten – ein Zugang, der vor langer Zeit als Notausgang für den Fall eines Brandes angelegt und dann wieder vergessen worden
     war. Bouvet mußte sich setzen und erst einmal zur Ruhe kommen, so sehr hatte ihn das eilige Treppensteigen mitgenommen. Dann
     berichtete er etwa eine Stunde lang.
    Alle Annahmen Lamartines entsprachen den wirklichen Verhältnissen im »Le canard«. Lecoq war der eigentliche Herr im Haus,
     alle Angestellten waren ehemalige Partisanen, die auf den Fahndungslisten der Deutschen standen. Das Restaurant diente Lecoq
     allerdings nicht nur zum Schutz seiner polizeilich gesuchten Mitarbeiter. Die Verarbeitung der verbleibenden Zootiere – eine
     Maßnahme, die vom Innenministerium geduldet wurde – bereicherte das vornehme Paris um eine gastronomische Attraktion. Zudem
     brachte der Restaurantbetrieb Lecoqs Organisation beträchtliche Gelder in die Kriegskasse,die er direkt für seine Aktionen verwenden konnte, ohne Ausschüsse der Nationalversammlung oder gar die Beamten des als schwerfällig
     geltenden Innenministeriums fragen zu müssen.
    Zum Schluß seiner Ausführungen zog Bouvet eine Liste mit Namen aus der Tasche und legte sie mit bedeutungsvoller Geste auf
     den Schreibtisch. »Das sind alle die, die im ›Le canard‹ anzutreffen sind, teilweise wohnen sie auch dort.«
    Stieber nahm die Liste, warf einen Blick darauf und steckte sie in seine Jackentasche. Lamartine ärgerte diese Eigenmächtigkeit,
     aber ihn beschäftigte etwas anderes mehr: »War schon die Rede vom Mord an Franc?«
    Bouvet seufzte. Man rede viel von dem Toten, aber immer so, als bedauere man dessen Tod, erklärte er seinem Chef. Dafür, daß
     Lecoqs Leute selbst Franc getötet hatten, hatte Bouvet keinen Anhaltspunkt finden können.
    »Auch das kommt noch!« erklärte Stieber und stand auf. Er müsse abends noch zu Bismarck, erklärte er. Man verabschiedete sich
     und verabredete ein

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