Stiefbruder - Liebe meines Lebens
die Straße, der Himmel, der Innenraum des Autos. Ich drehte den Kopf von ihm weg zum Seitenfenster, damit Jakob nicht sehen konnte, dass mir Tränen in den Augen standen.
„Es tut mir leid“, sagte er leise. Das klang wie eine Bekräftigung, dass zwischen uns nichts weiter sein würde. Wie ein Lebewohl. Es tat unglaublich weh. Tränen liefen ungehemmt über meine Wangen und ich versuchte sie heimlich wegzuwischen. Mir war schon peinlich gewesen vor Claudia so rumzuheulen, keinesfalls wollte ich das vor Jakob tun. Hätte ich den Kopf noch ein Stückchen weiter von ihm weggedreht, hätte ich glatt als Eule durchgehen können.
„Alles in Ordnung, Clemens?“, fragte Jakob mit so sanfter Stimme, dass mir das Herz noch ein bisschen mehr brach. Sie erzeugte Sehnsucht nach seiner Nähe, nach einer Umarmung, danach, ihn immer um mich zu haben, für den Rest meines Lebens. Die Bemühungen mich zusammenzureißen, entglitten mir wie nasse Seife, und aus dem tiefsten Inneren kam ein einzelnes Schluchzen heraus, das so dramatisch klang, dass sogar
ich
Angst davor bekam. Verdammt!
Da legte er sanft und ruhig eine Hand auf meinen Schenkel und mir wurde egal, dass er mich nun so fertig sehen würde. Ich blickte erst irritiert auf diese unerwartete Berührung – dann zu ihm. Als er mir ein aufmunterndes Lächeln schenken wollte und sah, wie verheult ich war, verrutschten seine Gesichtszüge und er schluckte betroffen. Sofort nahm er die Hand von meinem Bein, um sie wieder fest ums Lenkrad zu legen. Na Prima!
Mittlerweile hatten sich düstere Wolken vor die Sonne geschoben und als die ersten, riesigen Tropfen auf die Windschutzscheibe knallten, setzte Jakob den Blinker und fuhr von der Autobahn ab. Waren wir also schon da? Keine Minute später schüttete es in Strömen, die Scheibenwischer arbeiteten im Akkord, die Autofahrer aktivierten die Scheinwerfer und fuhren Schritttempo. Ein Blitz zischte über den Horizont, gefolgt von einem lauten, drohenden Donner. Der Regen klopfte so laut auf Blech und Scheiben, dass man nichts mehr von der Musik hören konnte. Jakob lenkte das Auto von der Straße weg, es rumpelte ein bisschen, dann bremste er und stellte den Motor aus. Hier war nichts. Das hieß, natürlich war hier etwas: ein Feld, Schotter, hinter uns die Straße, auf der regelmäßig Autos vorbei fuhren. Aber eben nichts –
Relevantes!
Warum hatte Jakob
hier
angehalten? Im nächsten Augenblick schlug er die Autotür der Fahrerkabine zu. Er war ausgestiegen! Mitten im schlimmsten Wolkenbruch! Soviel ich durch die Fenster verschwommen sehen konnte, war er innerhalb weniger Sekunden nass bis auf die Haut. Er fuhr sich durchs Haar und reckte das Gesicht Richtung Himmel. Es sah fast aus, als stünde er unter der Dusche. Shirt und Hose klebten an seinem Körper und gaben einen sehr deutlichen Vorgeschmack darauf, wie er nackt aussah.
„Was machst du da?“, rief ich ehe mir bewusst wurde, dass er mich gar nicht hören konnte. Zwar war ich nicht besonders scharf darauf klatschnass zu werden, aber hier drinnen sitzenzubleiben und zuzusehen, das schaffte ich nicht, also öffnete ich die Tür. Eigentlich wollte ich ihm nur rasch die Frage zurufen, was er denn da täte und schnell wieder ins Trockene huschen, aber der Regen war angenehm warm, hatte etwas eigen Gewaltiges an sich. Ich schlug die Tür hinter mir zu und ließ die tausend Finger des Sommergewitters über meinen Körper klopfen, bis die Kleidung schwer an mir zerrte und an meiner Haut klebte.
Die Schuhe schmatzten, innen an meinen Füßen, außen durch den Schlamm, als ich ums Auto herum zu Jakob stakste. Da fette Tropfen auf meine Wimpern klopften musste ich ständig blinzeln. Jakob stand noch immer, den Kopf in den Nacken geworfen, die Augen geschlossen, da und ließ den Regen auf sein Gesicht prasseln. Es war ein atemberaubender Anblick. Sein dunkles Haar kräuselte sich durch die Nässe, die Tropfen perlten auf seiner Haut, seine Brustwarzen drückten sich hart und spitz durch den klatschnassen Stoff seines Shirts.
„Jakob?“, rief ich und er zuckte erschrocken, hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass ich neben ihm stand. Er blinzelte mich an, glänzende Perlen tropften von seinen dichten Augenbrauen, seinen Lippen, hingen an den Spitzen seiner Haare, seinen Ohrläppchen, sammelten sich an seinem energischen Kinn.
„Was machst du hier draußen, du wirst ja ganz nass!“, stieß er hervor und legte eine Hand sanft an meine Wange.
„Das könnte ich dich
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