Stilettos für Anfänger
nachzueifern, ihre Ziele energisch zu verfolgen und sich nicht von Nebensächlichkeiten entmutigen zu lassen.
Laut sagte sie: “Aber eine Verführung? Davon verstehe ich nichts.” Es war eine verlockende Vorstellung, Guys schlanken Körper zu erforschen, ihn zu berühren und zu küssen, so viel, so oft und so lange sie es wollte.
Aber es war natürlich auch riskant. Es wäre schrecklich, wenn sie es vermasseln und zudem noch Guys Respekt verlieren würde.
Lacy berührte ihre Hand. “Das ist mein Fachgebiet. Mit meiner Hilfe und den Büchern hast du alle Trümpfe in der Hand. Glaub mir, bei den meisten ungebundenen und interessierten Männern ist es gar nicht schwer, sie zu verführen. Das einzige Problem ist, den richtigen Moment und Ort zu finden.”
Annie wollte gerade etwas erwidern, als es klingelte. Sie sah Lacy an und zog unwillig die Brauen hoch. Sie wollte nicht gestört werden, nicht jetzt, wo sie zum besten Teil der ganzen Sache kamen. “Entschuldige. Lass mich sehen, wer es ist.”
Kaum hatte sie die Tür geöffnet, stürzte ihr Bruder Daniel auf sehr uncharakteristische Art an ihr vorbei herein. “Hör zu, Annie! Guy ist direkt hinter mir. Er kann jeden Augenblick erscheinen. Sag ihm nicht, dass ich gerade erst gekommen bin, aber ich musste unbedingt noch vorher mit dir reden. Ich wusste, dass er herkommen würde, deswegen habe ich mich beeilt, um ihm zuvorzukommen.”
Annie starrte ihn verwundert an. “Du liebe Güte, was ist passiert?” Ihr sonst so ausgeglichener ältester Bruder schien vollkommen außer sich zu sein.
Er atmete tief ein. “Guy will heiraten.”
Dieser kleine Satz reichte, um Annie blindlings nach einem Stuhl tasten zu lassen. Ihr war, als ob die Welt sich plötzlich um sie drehte. “Was?”
Daniel fuhr sich mit der Hand durchs Haar. “Er sagte, er will Melissa bitten, ihn zu heiraten.” Bevor Annie eine Antwort darauf finden konnte, hob Daniel frustriert die Hände. “Ich weiß, ich weiß. Sie passt überhaupt nicht zu ihm. Ich habe versucht, es ihm zu sagen, aber er weigert sich, mir zuzuhören. Und hier kommst du ins Spiel, Annie. Du stehst Guy nahe, in vielen Dingen noch viel mehr als ich. Bring ihn dazu, es sich noch einmal zu überlegen, Annie. Rede mit ihm. Rate ihm, nichts zu überstürzen …”
Daniel brach plötzlich ab, als merkte er erst jetzt, wie still sie war. “Was ist los? Du siehst aus, als würdest du jeden Moment in Ohnmacht fallen.”
Annie versuchte zu antworten. Ihr Mund bewegte sich, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Guy wollte heiraten? All ihre schönen Pläne lösten sich in Luft auf, bevor sie auch nur die Chance bekam, sie zu verwirklichen!
Lacy kam ihr zu Hilfe. “Hallo, Daniel.”
“Lacy!” Misstrauisch blickte er sie an. “Ich dachte, du wärst einkaufen.”
“War ich auch. Ich habe ein paar aktuelle Neuerscheinungen gekauft, die deine Schwester in ihrem konservativen Buchladen nicht führt.” Sie schenkte ihm ihr ureigenes schalkhaftes Lächeln, das ihn garantiert noch misstrauischer machte.
Daniels Augen wurden schmal. “Bücher worüber?”
Annie liebte ihren Bruder sehr, und sie wusste, dass er Lacy liebte. Aber für ihn war Lacy all das, was Annie nicht war: sexy, verführerisch, erfahren und unglaublich feminin, vom Scheitel ihres platinblonden Haars bis zu ihren wohlgeformten langen Beinen. Als sie sich kennenlernten, hatte Lacy Daniel anfangs fast um den Verstand gebracht, dann jedoch begonnen, seine Liebe zu erwidern. Die beiden waren das ideale Paar, doch Lacys Bemühungen, die brave kleine Annie in eine Femme fatale zu verwandeln, weckten immer noch den Argwohn ihres Mannes.
Lacy zuckte mit den Schultern. “Über Sex natürlich.”
“Was?”
Mit einem spöttischen Lächeln sagte Lacy: “Wir sammeln die neuesten Erkenntnisse über Verführung, Liebling.” Dann beugte sie sich zu ihm vor und flüsterte: “Annies Verführung übrigens.”
In der Stille, die dieser Bemerkung folgte, erschien Guy plötzlich in der Tür. “Wer, zum Teufel, versucht, Annie zu verführen?”
Leider niemand, hätte Annie fast erwidert, wenn sie nicht vorübergehend abgelenkt gewesen wäre vom Anblick ihrer einzig wahren Liebe.
Guys sehr kurz geschnittenes hellbraunes Haar war vom Wind zerzaust. Es stand in alle Richtungen ab und erinnerte an die Stacheln eines Igels.
Seine Ohren und die schmalen Wangen waren gerötet von der Kälte, seine Jeans durchnässt vom Regen. Er hatte den Kragen seiner Bomberjacke aufgestellt,
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