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Stille Nacht

Stille Nacht

Titel: Stille Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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kleine Vierjährige sollte ihren eigenen neuen Puppenwagen
haben, nicht diesen abgenutzten, den Cally für sie hatte besorgen
müssen. Die Bettdecke und das Kissen, die sie gekauft hatte,
würden das schmuddelige Aussehen des Wagens nicht
verbergen. Doch vielleicht gelang es ihr ja, den Typen
wiederzufinden, der in der Woche zuvor auf einer Straße hier in
der Gegend Puppen zum Verkauf geboten hatte. Sie kosteten
bloß acht Dollar, und sie erinnerte sich, daß sogar eine darunter
gewesen war, die Gigi ähnlich sah.
Sie hatte an jenem Tag nicht genug Geld dabeigehabt, aber
der Typ hatte ihr erklärt, am Heiligabend werde er an der Fifth
Avenue zwischen der Siebenundfünfzigsten und der
Siebenundvierzigsten Straße sein, also mußte sie ihn doch
finden. O Gott, betete sie, laß sie Jimmy verhaften, bevor er
noch jemand was antut.
Irgendwas stimmt nicht mit ihm. Schon von Anfang an war
das so gewesen.
    Vor ihr sangen Leute »Stille Nacht«. Als sie jedoch
näherkam, stellte sie fest, daß es keine eigentlichen
Weihnachtssänger waren, sondern einfach eine Gruppe
Menschen, die sich um einen Straßengeiger versammelt hatte,
der Weihnachtsmelodien spielte.
»… Holder Knabe im lockigen Haar… «
    Brian stimmte nicht in das Singen ein, obwohl »Stille Nacht«
sein Lieblingslied war und er zu Hause in Omaha ein Mitglied
des Kinderchors seiner Kirche war. Er wünschte sich, er könnte
jetzt dort sein, nicht in New York, und sie wären gerade dabei,
den Weihnachtsbaum in ihrem eigenen Wohnzimmer zu
schmücken, und alles wäre noch so wie sonst immer.
    Er hatte New Yo rk gern und freute sich immer auf die
Besuche bei seiner Großmutter im Sommer. Dann hatte er Spaß.
Aber diese Art von Besuch jetzt mochte er nicht. Nicht am
Heiligabend, mit Dad im Krankenhaus und Mom so traurig und
mit seinem Bruder, der ihn ständig rumkommandierte, obwohl
Michael doch bloß drei Jahre älter war.
    Brian steckte die Hände in seine Jackentaschen. Sie fühlten
sich kalt an, obwohl er seine Handschuhe trug. Er blickte
ungeduldig auf den riesigen Weihnachtsbaum auf der
gegenüberliegenden Straßenseite, jenseits der Eisbahn. Er
wußte, daß seine Mutter gleich sagen würde: »Also gut. Laßt
uns jetzt den Baum richtig anschauen.«
    Er war so hoch, und die Lichter daran waren so hell, und da
war ein großer Stern oben auf der Spitze. Aber Brian machte
sich jetzt nichts daraus oder aus den Schaufenstern, die sie eben
betrachtet hatten. Er wollte auch nicht diesem Kerl beim
Geigenspiel zuhören, und er hatte keine Lust, hier rumzustehen.
    Sie vergeudeten nur Zeit. Er wollte ins Krankenhaus und
zuschauen, wie Mom Dad die große Christophorus-Medaille
gab, die Grandpa das Leben gerettet hatte, als er im Zweiten
Weltkrieg Soldat gewesen war. Grandpa hatte sie den ganzen
Krieg hindurch getragen, und sie hatte sogar eine Delle an der
Stelle, wo sie von einer Kugel getroffen worden war.
    Gran hatte Mom gebeten, sie Dad zu geben, und obwohl Mom
beinahe aufgelacht hätte, hatte sie es versprochen, aber mit den
Worten: »Ach, Mutter, Christophorus war doch bloß eine
Legende. Er wird nicht mehr als Heiliger angesehen, und die
einzigen Menschen, denen er geholfen hat, sind die Leute, die
all die Gedenkmünzen verkauft haben, die sich früher jeder ans
Armaturenbrett gesteckt hat.«
    Gran hatte daraufhin erklärt: »Catherine, dein Vater war
überzeugt davon, daß ihm die Medaille einige schreckliche
Schlachten überstehen half, und das ist das einzige, was zählt. Er
hat daran geglaubt, und ich tu’s auch. Bitte gib sie Tom und hab
Vertrauen.«
    Brian empfand Ungeduld mit seiner Mutter. Wenn Gran daran
glaubte, daß Dad sich wieder erholen würde, sobald er die
Medaille bekam, dann mußte Mom sie ihm auch geben. Er war
fest davon überzeugt, daß Gran recht hatte.
    »… schlaf in himmlischer Ruh!« Die Geige hörte zu spielen
auf, und eine Frau, die das Singen angeführt hatte, reichte einen
Korb herum. Brian schaute zu, wie die Leute anfingen, Münzen
und Dollarscheine hineinfallen zu lassen.
    Seine Mutter zog ihr Portemonnaie aus ihrer Umhängetasche
hervor und nahm zwei Ein-Dollar-Scheine heraus. »Michael,
Brian, hier. Steckt das in den Korb.«
    Michael griff nach seinem Dollar und versuchte sich einen
Weg durch das Gedränge zu bahnen. Brian schickte sich schon
an, ihm zu folgen, bemerkte dann jedoch, daß das Portemonnaie
seiner Mutter, als sie es zurückgesteckt hatte, nicht wieder

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