Stille Sehnsucht
in Erwägung, Nicks Geburtstag zu feiern. Nick selbst am wenigsten. Sie hatten bereits Adrians und Devins Geburtstage im Mai nicht gefeiert. Ihre Leben standen förmlich still und Niko fragte sich jeden Tag aufs Neue, wie lange seine Familie diesen anhaltenden Stress noch aushalten konnte, ohne an ihm zu zerbrechen.
Ende Juni brach eine Hitzewelle über New York City herein und die gesamte Stadt stöhnte bei Temperaturen von 35 Grad, die Noah leider überhaupt nicht bekamen. Innerhalb von nur drei Tagen brach sein Kreislauf sieben Mal zusammen, gefolgt von einem Herzstillstand und einem Blutgerinnsel im Kopf, das seine Ärzte bei einer Not-Operation unter Kontrolle brachten und Noah damit ein weiteres Mal das Leben retteten.
Als es Noah wieder etwas besser ging und seine Väter aufatmeten, klappte Liam zusammen, weil er praktisch rund um die Uhr im Krankenhaus verbracht hatte, ohne an Essen und Schlaf zu denken. Nick platzte der Kragen, als Liam sogar nach seinem Zusammenbruch nicht von Noahs Seite weichen wollte, was zu einem lautstarken Streit zwischen Vater und Sohn führte, der am Ende von Tristan mit sehr deutlichen Worten unterbunden wurde, bevor er Adrian bat, eine Weile auf Noah zu achten und dann mit Nick und Liam das Krankenhaus verließ.
Das war jetzt vier Tage her und seither hatte Niko die Drei nicht mehr gesehen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte er in den letzten Tagen kaum jemanden aus der Familie gesehen. Abgesehen von kurzen Besuchen im Krankenhaus, hielt Niko sich derzeit von allen fern, denn langsam aber sicher wurde es ihm zu viel. Das Drama um Noah, die angespannte Stimmung und die andauernden Streitereien, einfach alles.
Er schämte sich dafür, dass er so wenig belastbar war, aber gleichzeitig ertappte sich Niko immer wieder dabei, wie er lieber die Nähe von Grace und Tyler suchte, um ja nicht bei Noah im Krankenhaus sein zu müssen.
„Hör' auf, dich verrückt zu machen.“
Niko schreckte aus seinen Gedanken und entdeckte Alex neben sich auf dem Teppich sitzen. Er runzelte die Stirn, als er die Karten in Alex' Händen sah. „Poker?“
Alex zwinkerte ihm breit grinsend zu. „Hier kann uns Mik wenigstens nicht ausnehmen.“
Niko lachte und setzte sich vernünftig hin. Er schaute Alex kurz beim Kartenmischen zu und ließ seinen Blick danach zu Alex' Gesicht wandern. Sein Bruder sah gut aus, hatte leicht gerötete Wangen und wirkte gesund. Ein krasser Gegensatz zu dem, was Niko beim lebenden Alex zuletzt gesehen hatte.
„Du fehlst mir“, flüsterte Niko und Alex sah zu ihm.
„Ich bin immer bei dir. Hier und hier“, sagte sein Bruder und berührte dabei mit einer Hand zuerst seine Stirn und danach seine Brust.
„Ich bin ein Feigling, oder?“
Alex tippte sich vielsagend an die Stirn. „Red' keinen Quatsch. Jeder Mensch hat seine eigene Schmerzgrenze und deine ist jetzt erreicht. Noah hat genug Menschen um sich herum, die ihn lieben und für ihn da sind, er braucht dich im Moment nicht. Nimm dir ruhig etwas Zeit für dich.“
„Ich hasse dieses verfluchte Krankenhaus“, murmelte Niko niedergeschlagen. „Ich hasse den Geruch und diese Geräusche der Maschinen, einfach alles.“
„Wer mag schon Krankenhäuser“, meinte Alex ruhig und teilte Karten aus. „Ich mochte sie auch nie. Deshalb wollte ich nicht in einem sterben.“
„Ich will da nicht mehr hin.“
Alex nickte. „Ich weiß. Aber du wirst morgen früh trotzdem wieder hingehen. Für Noah. Für die Familie.“
„Alex?“ Niko nahm sein Blatt auf. „Wird er sterben?“
„Das weiß ich nicht.“
„Warum nicht? Du bist doch tot, oder etwa nicht?“
Alex lächelte ihn an. „Natürlich bin ich tot, aber ich bin dein Traum, Niko. Deine persönliche Version des Ichs, was ich einmal war. Ich bin kein Geist und auch kein Engel. Ich bin, was du aus deinen Erinnerungen erschaffen hast, nicht mehr. Ich kann dir nicht sagen, ob Noah leben oder sterben wird. Das kann niemand. Du fängst an.“
Niko sah auf sein Blatt, konnte sich aber irgendwie nicht konzentrieren. Schließlich warf er die Karten auf den Tisch und lehnte sich auf der Couch zurück.
„Ich bin müde.“ Niko schloss die Augen. „Ich möchte einfach schlafen, und wenn ich aufwache, dann ist alles wieder in Ordnung.“
„Wunschträume sind etwas Schönes, kleiner Bruder. Du musst sie festhalten, so lange sie andauern.“
„Woher wusstest du es?“
„Was?“
„Dass ich Tyler mag.“
„Ich wusste es nicht. Du wusstest
Weitere Kostenlose Bücher