Stille Sehnsucht
Kehle bildete, als Tylers Finger von ihm abließen und im nächsten Moment feucht zurückkehrten. Kein Gleitgel, das hätte sich anders angefühlt. Spucke, erkannte er und presste Augen und Lippen fest zusammen.
„Das gefällt mir nicht“, nuschelte Tyler plötzlich, und bevor Niko wusste, wie ihm geschah, hatte sein Bulle die Bettdecke aus dem Bett geworfen, ihn auf den Rücken gedreht und es sich zwischen seinen gespreizten Beinen gemütlich gemacht. „Oh ja, viel besser“, sagte Tyler mit einem verruchten Lächeln und beugte sich vor.
Niko stöhnte haltlos auf, als Tyler statt seiner Finger seinen heißen Mund einsetzte und gleichzeitig einen Arm quer über seinen Bauch legte, um ihn festzuhalten. Die Vibrationen an seinem Glied, weil Tyler auf sein Stöhnen hin lachte, brachten Niko beinahe um. Sie hatten schon oft Sex gehabt, aber das hier war mehr. Er spürte es. Er wusste es. Niko krallte seine Finger ins Bettlaken.
„Tyler...“, wimmerte er und versuchte tiefer in Tylers Mund zu stoßen, als sein Cop anfing mit der Zunge seine Spitze zu necken und dabei immer wieder in den kleinen Schlitz glitt, bevor Tyler ihn schließlich komplett in den Mund nahm und dann auch noch schluckte. „Fuck, willst du mich umbringen?“
Tyler zog sich von ihm zurück und lachte leise. Niko, der nicht wusste, ob er Tyler verfluchen oder erleichtert sein sollte, nutzte die Gelegenheit und holte Luft, um sie gleich darauf keuchend wieder auszustoßen, als Tyler ihn nach einem befehlenden „Komm!“ erneut in den Mund nahm. Und dieses Mal hörte er nicht wieder auf.
„Alex hat sich umgebracht.“ Niko kuschelte sich enger an Tyler, dessen Haut von ihrer schnellen Dusche eben noch warm war. „Wahrscheinlich hast du die Akte längst gelesen und...“
„Ich weiß, dass dein Bruder Krebs hatte und sich das Leben genommen hat, mehr nicht“, unterbrach Tyler ihn ruhig und legte den Arm um ihn. „Als das mit uns anfing, wollte ich die Details, wenn überhaupt, nur aus deinem Mund erfahren.“
Niko glaubte ihm. „Er hatte ständig Schmerzen durch den Tumor und am Ende half kein Schmerzmittel mehr. Also nahm er sich das Leben. In der Badewanne in Miks und Colins Haus. Davor hat er jedem von uns einen Brief geschrieben. Als Abschied. Er wollte, dass du ihn magst. Dass ich dir von ihm erzähle.“ Niko grinste verlegen, als Tyler sich spürbar verspannte. „Bevor du jetzt denkst, ich bin völlig durchgedreht, ich rede im Traum mit ihm. Seit Alex tot ist.“
Tyler entspannte sich wieder. „Eigentlich ist das eine schöne Art, Abschied zu nehmen.“
„Findest du?“, fragte Niko unsicher und sah Tyler an, der daraufhin nickte, was es für ihn leichter machte, die nächsten Worte auszusprechen. „Ich habe Alex gefragt, warum er immer in meinen Träumen auftaucht? Warum er mich nicht in Ruhe lässt? Er hat gesagt, dass er das tut, sobald ich bereit bin ihn loszulassen.“
Tyler lächelte sanft. „Noch bist du es nicht.“
„Nein“, gab Niko leise zu und vergrub sein Gesicht an Tylers Brust. „Ich will mich nicht verabschieden. Ich will ihn zurückhaben.“
Tyler sagte nichts darauf und Niko schwieg ebenfalls, weil er sich albern vorkam. Er hätte nichts sagen sollen. Wahrscheinlich dachte Tyler gerade darüber nach, wie er ihm möglichst schonend beibrachte, dass Tote eben tot waren und fertig. So hatte sein Vater es bei ihrem letzten Telefonat ausgedrückt, kurz nach Alex' Tod. Er war nicht mal zu Alex' Beerdigung gekommen oder hatte Blumen geschickt wie so viele andere.
Alte Schulfreunde, Arbeitskollegen, Menschen, die er zum Teil seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, hatten Niko ihr Beileid bekundet, während sein eigener Vater Alex' Tod schweigend zur Kenntnis genommen hatte. Bis heute. Abgesehen von den gehässigen Kommentaren per Telefon, die Niko umging, indem er Anrufe seines Vaters einfach nicht mehr entgegennahm. Niko horchte auf, als Tyler plötzlich zu reden anfing.
„Mein erster Partner bei der Polizei wurde von einem Copkiller eiskalt erschossen. Er hieß Ben, war gläubig bis zur Schmerzgrenze, hatte Übergewicht und rauchte wie ein Schlot.“ Tyler lachte leise. „Ich war schwul, sportlich und rauche nicht. Es war ihm egal. Auch, dass ich schwul bin. Er hat mich unter seine Fittiche genommen und mir alles beigebracht, was er aus über dreißig Jahren Dienst auf der Straße wusste. Als er starb, bin ich die ersten fünf Jahre jeden Monat zu seinem Grab gegangen. Ich wollte ihn nicht gehen
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