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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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Treppe hinunter und eine andere wieder hinauf. James war natürlich der schnellste, er überholte sogar drei andere Schüler. Pritpal war der langsamste und somit auch der letzte. Und der musste den Auftrag der älteren Schüler ausführen, ganz gleich, worum es sich dabei handelte.
    »Kommt schon, ihr kleinen Tintenkleckser aus der Vierten«, sagte Longstaff, der Oberschüler. Er war es gewesen, der gerufen hatte. »Oh, Nandra«, sagte er, als Pritpal schnaufend die letzten Stufen erklomm. »Du schon wieder. Ich möchte, dass du eine Nachricht für mich überbringst. Sie ist für David Clasnet bestimmt, einen unserer Wissenschaftler.«
    Pritpal nahm den zusammengefalteten Zettel entgegen und trottete die Treppe hinunter.
    »Siehst du«, sagte James, als er ihn eingeholt hatte. »Manchmal ist es ganz nützlich, schnell zu sein.«
    »Das ist nicht fair«, murrte Pritpal. »Jetzt wird mein Essen kalt und dabei habe ich solchen Hunger.«
    »Gib her«, sagte James. »Ich mach’s für dich.«
    »Nein James …«
    »Kein Problem. Wenn wir nicht schon so früh im Haus sein müssten, würde ich jeden Abend noch eine Runde laufen. Außerdem habe ich bereits fertig gegessen. Komm schon, es wird mir Spaß machen.«
    James schnappte sich den Zettel von Pritpal und eilte die Treppe hinab, wobei er gleich vier Stufen auf einmal übersprang. Er suchte Codrose auf, damit dieser den Hausschein unterschrieb, und dann rannte er hinaus in die kalte Nachtluft.
     
    Judy’s Passage lag verlassen da. James hatte das Bedürfnis, die Trägheit abzuschütteln, die das schwer verdauliche Essen und das Kaminfeuer in ihm hervorgerufen hatten. Er überquerte die Straße am Brennenden Busch und ging durch den Torbogen in den Schulhof hinein. David Clasnet war ein Wissenschaftler, daher würde er im College wohnen, dem ursprünglichen Schulgebäude, das Henry VI 1443 hatte erbauen lassen. Die Wissenschaftler bildeten die akademische Elite Etons und hatten ihre ganz eigenen Regeln und Traditionen.
    James war vorher noch nie im College gewesen und wusste nicht genau, welchen Eingang er benutzen sollte. Unschlüssig blieb er im Innenhof stehen und warf einen suchenden Blick auf den Zettel. Als er Stimmen hörte, drehte er sich um. Ein gut aussehender, grauhaariger Mann mit dem weißen Kragen eines Priesters kam auf ihn zu. James hatte schon oft in der Kapelle gesessen und genug der leidenschaftlich vorgetragenen Predigten angehört, um zu wissen, dass es sich bei dem Mann um den Schulleiter handelte, Reverend Dr. Alington, von einigen Schüler nur Creeping Jesus genannt. Er schlenderte über das Kopfsteinpflaster und war ganz in ein angeregtes Gespräch mit zwei Begleitern versunken. Als sie näher kamen, stöhnte James laut auf.
    Einer der drei war ein Junge – der Amerikaner, mit dem James gleich nach seiner Ankunft aneinander geraten war. Bei dem anderen Erwachsenen handelte es sich zweifellos um den Vater des Jungen. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden war außergewöhnlich. Der Vater schien einfach die größere, vollkommenere Ausgabe des Sohnes zu sein. Er strotzte geradezu vor Vitalität und Energie. Mit seinem goldbraunen Teint und den dichten gelbblonden Haaren schien er förmlich zu glühen. Der einzige definitive Unterschied zu seinem Sohn war sein großer Schnurrbart.
    James sah, wie er den Kopf zurückwarf und laut über eine Bemerkung des Schulleiters lachte. Sein Gelächter hallte in den Gemäuern wider. Der Direktor, zweifellos der wichtigste Mann an der Schule, sah ihn bewundernd an wie ein Junge, der seinem Kindheitshelden gegenübersteht.
    Alles an dem riesigen Mann drückte aus, dass hier jemand Reiches und Kraftvolles kam, jemand, der es sich zutraute, die Welt zu beherrschen. Ein wahrer römischer Imperator. Sogar seine Kleidung unterstrich seine Bedeutung: Sein Tweedanzug war an den Schultern breit und um die Hüften schmal geschnitten und die Schuhe waren hochglanzpoliert. Zugleich jedoch wirkte der Mann so, als wolle er den Anzug jeden Augenblick sprengen und halb nackt und röhrend wie Tarzan im Urwald durch die Schule springen.
    James trat in den Schatten zurück, um nicht gesehen zu werden, aber da hatte der Schulleiter ihn bereits entdeckt und rief ihn zu sich.
    »Was haben Sie hier verloren?«, fragte Dr. Alington. James zeigte ihm den Zettel und erklärte, dass er als Botenjunge unterwegs war.
    »Und wie lautet der Name, junger Mann?«
    »Bond, Sir. James Bond.«
    »James Bond?«, dröhnte der bullige Amerikaner.

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