Stille Wasser
für sich. Er hatte sie am Morgen nach Hause begleitet, noch gewartet, bis sie in der Türe verschwunden und in Sicherheit war, und sich dann aufgemacht, um selbst eine kleine Auszeit zu nehmen. Doch er hatte immerzu an die Vampire denken müssen, die unten in der Kanalisation festgesteckt hatten wie Ratten in der Falle und von irgendetwas abgeschlachtet worden waren, dem es offenbar keine größeren Probleme bereitete, sie allesamt auf einmal zu erledigen.
Wer oder was konnte es bloß gewesen sein? Und warum?
Also hatte er sich, kaum war die Abenddämmerung hereingebrochen, aufgemacht, um seine Runde zu machen und sich in Bewegung zu halten, in der vagen Hoffnung, dass seine überreizten Sinne sich wieder etwas beruhigen würden.
Buffy war mit dem Haarbüschel, das sie gefunden hatten, zu Giles gegangen, um zu hören, was der Wächter zu ihrer nächtlichen Ausbeute zu sagen hatte. Wahrscheinlich war sie immer noch dort und versuchte mit ihm gemeinsam herauszufinden, mit welcher Art von Gegner sie nun eigentlich zu rechnen hatten. Auf jeden Fall war es besser so. Besser, als selbst in diese Bücherei zu gehen. Besser, als müsste er sich mit dem Rest ihres Jägerteams auseinander setzen, oder mit Giles...
»Bleib da weg«, sagte er mit strengem Ton zu sich selbst, Buffys derzeitiger Lieblingssatz. Im Wegbleiben war er mittlerweile ziemlich gut. Es war immer noch ein besserer Zeitvertreib, als über dicken Büchern zu brüten und sich in irgendwelchen Spinnereien zu ergehen.
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Doch es war auch schmerzlicher. Alles war in den letzten Tagen auf die eine oder andere Art schmerzlich, außer wenn er mit Buffy zusammen war.
Okay, genug lamentiert. Es gibt Wichtigeres zu tun, rief er sich zur Ordnung. Falls irgendjemand Licht in diese Sache bringen konnte, dann war es Giles. Anders als das Jägerteam war Angel niemals der Versuchung erlegen, die Intelligenz des Wächters zu unterschätzen, ebenso wenig wie die Findigkeit, die ihm, wenn es hart auf hart kam, zu Gebote stand.
»Hey!«
Kaum war der plötzliche Aufschrei an sein Ohr gedrungen, da preschte er auch schon reflexartig los, entschlossen, jeder Balgerei zwischen Mensch und Vampir, die sich seinen Blicken bieten mochte, mit handfesten Argumenten Einhalt zu gebieten. Er schwang sich über einen hohen Hinterhofzaun, landete sicher wieder auf den Füßen, duckte sich und machte sich bereit für den Kampf.
Doch was ihn jenseits des Zaunes erwartete, hatte wenig mit den wülstigen Gesichtern und fangzahnbewehrten Schlünden seiner Vampirsippschaft gemein. Stattdessen besaß die dürre, geschlechtslose Kreatur, die den völlig überraschten Mann in seinem eigenen Garten attackiert hatte und nun im Schwitzkasten hielt, eine blasse, silbrig grüne Haut, lange grünliche Haare und einen beinahe kugelförmigen Kopf. Aus tellerrunden schwarzen Augen, die seitlich an seinem Kopf saßen, funkelte sie Angel drohend an, riss ihr großes, lippenloses Maul auf und entblößte zwei Reihen kleiner, messerscharfer Zähne.
Es war fast so, als würde man in das Maul eines Haifisches starren.
Als blickte man in die Augen einer Viper.
Und Angel, obgleich er bereits vor mehr als zweihundert Jahren gestorben war, fühlte einen plötzlichen Schauder der Angst.
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Es war die Fleisch gewordene Boshaftigkeit.
Die Kreatur beugte sich hinab, versenkte ihre Zähne in den Nacken des Mannes und biss ein großes Stück heraus, ohne die kalten Augen auch nur für einen Moment von Angel abzuwenden. Sie begann zu kauen und Angel spürte Übelkeit aufsteigen, als er bemerkte, dass der Mann immer noch am Leben war, winselnd und stöhnend unter den unvorstellbaren Schmerzen, die er zu erleiden hatte.
Angel wich, jede hastige Bewegung vermeidend, vorsichtig einige Schritte zurück. Da spürte er, wie sich starke, schuppige Klauen auf seine Schultern legten...
Xander warf in einer übertriebenen Geste die Arme in die Luft.
»Woher hätte ich denn wissen sollen, dass der Eimer zur Kunstausstellung der Zweitsemestler gehört?«
»Weil er in einem Schaukasten stand?«, schlug Oz mit sanfter Stimme vor. »Oder vielleicht – Hey, Cordelia«, fuhr er fort und trat einen Schritt zur Seite, um eine Kollision zu vermeiden.
Sie stolzierte an ihm vorbei, strich sich das Haar aus dem Gesicht und setzte eine gleichmütige Miene auf. Doch die Art, wie sie immer wieder den Gang hinunterspähte, Richtung Bibliothek, ließ an ihrem Ziel keinerlei Zweifel aufkommen.
»Habt ihr kein Zuhause?«,
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