Stille Wasser
gesagt über seine Mitgliedschaft beim Verband zum Schutz bedrohter Tierarten.
Ich mache das schon seit Jahren. Na ja, vielleicht ist machen 20
nicht der richtige Ausdruck, weil dies eigentlich unser erster Einsatz ist, aber bereit waren wir jederzeit.« In den Blicken der anderen spiegelte sich schieres Unverständnis.
»Wie ich schon sagte, wir sind freiwillige Helfer. Wenn irgendwo in der Nähe etwas passiert, wie zum Beispiel diese Sache mit dem Öltanker, dann holen sie uns, denn wir können binnen kürzester Zeit zur Stelle sein. Und genau deshalb waren wir auch dort. Am Strand. Wo ich sie gefunden habe.« Willow unterbrach sich einen Augenblick und zog die Stirn in Falten.
»Hört mal, ich bin seit heute Morgen drei Uhr auf den Beinen und beginne allmählich echt abzubauen, und wir sollten uns langsam überlegen, was wir mit ihr anstellen!«
Buffy sah zu dem Selkie hinüber, das ihren Blick aus großen runden Augen, die aussahen wie die eines Hundebabys, erwiderte. Ja, genau, dachte die Jägerin, das ist sie, ein Seehundbaby. »Zunächst wäre es gut zu wissen, wie lange man dafür braucht, ein Seehundfell zu reinigen. Richtig? Und dann sollten wir einen Platz für sie finden, an dem sie vorerst bleiben kann.«
Xander schnaubte verächtlich. »Und wo soll das, bitte schön, sein? Ich meine, deine Mutter hat ja manchmal durchaus etwas Verschnarchtes, Will, aber selbst ihr dürfte nicht verborgen bleiben, wenn irgendwas in eurer Badewanne übernachtet. Vor allem dann nicht, wenn sie voll Wasser ist.«
»Bei mir geht’s auch nicht«, sagte Buffy. »Meine Mom hat bereits genug Abstrusitäten zu verdauen. Und Xander und Oz fallen ebenfalls flach, schätze ich.«
Xander nickte nachdrücklich. Oz dachte einen Augenblick nach, dann schüttelte er den Kopf. »Gäbe Probleme«, lautete sein knapper Kommentar.
»Sie kann bei mir bleiben.«
Als alle entgeistert den Wächter ansahen, zog er die Schultern hoch und vollführte mit der Hand eine wegwerfende Geste. »Platz habe ich jedenfalls genug. Und sollte jemand 21
dumme Fragen stellen, behaupten wir einfach, dass sie... äh, die Tochter eines Freundes ist.«
Xander griff die Idee sofort auf. »Und sie ist noch viel zu klein, als dass die Leute auf irgendwelche abartigen Gedanken kommen könnten. Nicht, dass sie es nicht trotzdem tun würden.«
»Vielen Dank, Xander. Obwohl...«
Nicht weiter auf die Frotzeleien achtend, die hinter ihr ihren üblichen Gang nahmen, kniete sich Buffy vor den Stuhl, auf dem sich das Selkie zusammengekauert hatte.
»Hallo, Kleines.«
Keine Antwort, nur der starre Blick ihrer ernsten braunen Augen, der beinahe etwas Abschätziges besaß. Müssen Selkies eigentlich niemals blinzeln?, fragte sie sich.
»Nicht sehr gesprächig, was?«, vernahm sie Oz’ Stimme, der neben sie getreten war.
»Ihr beide müsstet eigentlich prima miteinander auskommen«, erwiderte Buffy, erhob sich wieder und überließ ihm das Feld. Okay, sie ist völlig harmlos, dachte sie. Was sollte so ein kleines Seehund-Mädchen auch schon groß anrichten? Seehunde fressen Fische, keine Menschen.
»So sind wir, wir stillen Kleinen«, seufzte Oz.
»Sie hat unterwegs nicht einen einzigen Laut von sich gegeben.« Willow, froh darüber, dass die Verantwortung nicht mehr allein auf ihren Schultern ruhte, schien sich ein wenig beruhigt zu haben. »Nicht einmal, als ich versucht habe, sie aufs Fahrrad zu hieven, um sie hierher zu bringen. Vielleicht kann sie überhaupt nicht sprechen, was meint ihr?«
»So wie die kleine Meerjungfrau«, sagte Buffy zustimmend,
»die ihre Stimme gegen ein paar schmucke Beine eingetauscht hat.«
»Seehunde sind normalerweise ziemliche Plappermäuler«, klärte Giles sie auf. »Ich vermute, ihre Zurückhaltung hat ihren 22
Grund eher darin, dass sie die Sprache der Menschen nicht versteht. Eine Fremde in einem fremden Land, sozusagen.«
Gewohnheitsmäßig platzierte er die Brille auf seiner Nase, steuerte ein Regal mit riesigen Folianten an und begann mit seiner Recherche. »Glücklicherweise erfreuen sich Selkies in neueren Abhandlungen über Mythen und Legenden großer Beliebtheit, sodass einiges über sie zu finden sein wird.
Unglücklicherweise –“
»Das eigentliche Problem dürfte darin bestehen herauszufinden, was an den alten Legenden wahr ist und was nicht, stimmt’s?« Willow sah den Wächter an und seufzte. »Na ja, besser zu viele Informationen als gar keine.«
»Auf jeden Fall mal ’ne nette Abwechslung«,
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