Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freudenberger
Vom Netzwerk:
sich um ein exotisches Ausstellungsstück auf der Automobilmesse in Frankfurt. Da bemerkte er den Bügel unter dem Griff. »Ich Depp«, schimpfte er mit sich selbst. Liebe Güte, es war zwar Jahre her, dass er einen elektrischen Rasenmäher bedient hatte, weil er zu Hause auf einen Benziner umgestiegen war. Doch daran hätte er sich erinnern sollen. Er musste den Anlasser drücken und gleichzeitig den Bügel nach oben ziehen.
    »Das nennt sich Totmannschaltung«, klärte er den Rasenmäher auf. »Du läufst, so lange ich den Hebel oben halte. Wenn ich loslasse, bist du tot.« Oder ich, dachte er. So war das wahrscheinlich gemeint. »Okay«, sagte er und wischte sich noch einmal die Hände ab. Er schwitzte plötzlich.
    Stiller legte die linke Hand auf den Griff und krümmte die Finger um den Bügel darunter. Dann drückte er mit dem rechten Daumen den roten Knopf und zog den Bügel hoch. Wieder nichts. Er hielt den Bügel oben und hämmerte auf den Knopf. Erfolglos. Er versuchte es umgekehrt, quetschte den Knopf nach unten und ließ den Bügel auf- und abschnellen. Der Motor wollte nicht anspringen.
    »Du bist total krank, weißt du das?« Stiller schluckte den Fluch hinunter, der ihm auf den Lippen lag. Er klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Schaltkasten, rüttelte am Stecker. Nichts klapperte, alles schien zu sitzen. Er unternahm einen neuen Versuch; doch wie er es schon erwartet hatte, tat sich nichts.
    »Dir werd ich helfen!« Er gab der Motorhaube einen Fußtritt. Es klang hohl. Er hob den Rasenmäher leicht an und sah nach – der Motor war da. Er trat noch einmal gegen die Haube, ohne etwas damit zu bewirken, wie der nächste Startversuch zeigte.
    Stiller folgte dem Kabel auf die Terrasse, es war unbeschädigt. Er schüttelte die Kabeltrommel, zog den Stecker aus der Dose und rammte ihn mit Schmackes wieder hinein.
    Da ging ihm ein Licht auf. Es war die Außensteckdose. Bei ihm zu Hause funktionierte sie nur, wenn sie innen eingeschaltet war. Er stapfte in die Laube und fand den Kippschalter direkt neben der Tür. Er legte ihn um, das rote Kontrolllämpchen leuchtete auf. Stiller atmete durch und nahm sich vor, niemandem von dieser peinlichen Aktion zu erzählen.
    Er kehrte zum Rasenmäher zurück und betrachtete ihn grimmig. Dann hob er den Daumen wie ein römischer Kaiser am Ende der Gladiatorenkämpfe im Circus Maximus.
    Reifen quietschten, es krachte scheppernd. Ein Unfall auf der Großostheimer Straße. Stiller hielt inne.
    Sollte er nachsehen? Die Polizei verständigen oder die Redaktion?
    Nein, es waren sicher genug Leute auf der Großostheimer unterwegs. Er hatte hier etwas zu erledigen. Etwas Persönliches.
    »Wenn’s jetzt nicht funkt, dann knallt’s«, drohte er. Langsam drehte er den Daumen nach unten und legte ihn auf den Knopf.
    ***
    Bernd Süß liebte seinen Beruf. Er war stolz auf seine Arbeit und auf sich. Er hatte noch nie einen Fehler gemacht, die Menschen in der Stadt konnten sich auf ihn verlassen. Sicher, ein Fehler musste keine dramatischen Folgen haben, nichts, was sich nicht wieder ins Lot bringen ließe, zumal das Unternehmen gut versichert war. Aber er wusste, was alles von ihm abhing. Deshalb ging er lieber vom worst case aus, vom schlimmsten Fall, vom Super- GAU . Jedes Mal, wenn er den ovalen Raum in der Werkstraße 2 betrat, schärfte er es sich ein: Es geht um Leben und Tod.
    Im Raum war es still. Nur die Klimaanlage in der Decke und die Lüftung der Serverschränke, die feuersicher nebenan in einer Kammer untergebracht waren, rauschten einschläfernd. Dennoch war Bernd Süß hellwach. Früher hatte er mehr Abwechslung gehabt, als die Werksleitung noch Schulklassen wie am Fließband durch diesen Raum geschleust hatte. Der war damals aber auch noch doppelt so groß gewesen, das Herz des Hauses, das Flaggschiff des Unternehmens. Und er, Bernd Süß, war der Kapitän gewesen, der Mann, der den Pulsschlag des Herzens kontrollierte. Im Zuge des technischen Fortschritts und der Digitalisierung war alles eine Nummer kleiner und zweckmäßiger geworden. Heute spielte sich alles im Computer ab. Besucher waren selten geworden, seit es nicht mehr viel zu sehen gab. Zudem durften nur noch Befugte den Raum betreten. Sie mussten sich mit Chipkarten ausweisen oder von ihm eingelassen werden.
    Prüfend ließ er den Blick über das Leitpult gleiten, seinen Arbeitsplatz. Mehr als sieben Meter lang war es und oval geschwungen wie die Wand, die ihm gegenüberlag. Alles war doppelt vorhanden,

Weitere Kostenlose Bücher