Stille(r)s Schicksal
auf herumliegenden Getränkebüchsen. Überhaupt machten die Straßen einen ziemlich verwahrlosten Eindruck. Die einzigen Pflanzen (es schienen Tomaten zu sein), die es hier zu entdecken gab, wuchsen in langgestreckten Folienzelten.
Anne schaute sich um und glaubte, auch auf den Gesichtern ihrer Mitreisenden eine gewisse Enttäuschung erkennen zu können.
"Mann, sind wir denn hier auf einer Müllhalde gelandet?"
Der junge Mann neben ihr guckte genauso entgeistert wie sie, als er die herumliegenden Bierbüchsen sah, die entweder den Touristen oder den Einheimischen einfach aus den Händen gefallen waren. Anne erkannte die Stimme aus dem Flugzeug, ließ sich aber nichts anmerken. Sie drehte sich nicht einmal nach ihm um.
Plötzlich entdeckte sie eine grüne Oase, freute sich unbändig, dass ihr Bus geradewegs darauf zu rollte.
Es gab dort nicht nur richtigen Rasen in saftigem Grün, ein paar riesige Palmen, mehrere überdimensionale Gummibäume und dann diesen phantastischen Roseneibisch. Sein Anblick verschlug ihr den Atem. Etwa drei Meter hoch reckte er seine Äste, von unzähligen Blüten übersät, deren leuchtendes Rot vor der dicken grauen Mauer besonders gut zur Geltung kam. Mit ihrem Hibiskus auf dem Fensterbrett zu Hause hatte dieser hier lediglich die Farbe der Blüten gemeinsam.
Die Leute waren mehr oder wenig eilig aus dem Bus geklettert, doch Anne saß noch immer auf ihrem Platz und hatte nur Augen für den Hibiskus.
"Ach, ist der schön!" Sie wandte sich um, aber der junge Mann, der unterwegs gestöhnt und gefragt hatte, ob sie denn hier auf einer Müllhalde gelandet seien, war schon weg.
Anne stutzte. Sie war die Letzte. Schnell sprang sie auch aus dem Bus und lief den anderen hinterher.
Überraschung im Zimmer Nummer Dreizehn
"Guten Tag, Sie sind Frau Hellwig, ja?"
Also, nach Spanien klang das nicht, dachte Anne, eher nach Deutschlands Küste, entweder Nord- oder Ostsee. Anne mochte diese saubere Aussprache.
Die Formalitäten waren schnell erledigt.
"Hier bitte, Ihr Zimmerschlüssel und der Hotelausweis."
Jetzt fiel es ihr wieder ein: Sie hatte gelesen, dass das Hotel von einem Hamburger Ehepaar geführt wurde. Das schien also die Chefin zu sein. Sie war in mittleren Alter, etwas füllig und strahlte eine gewisse Mütterlichkeit aus.
Anne schaute auf den Schlüsselanhänger und trat zur Seite.
"Nummer Dreizehn? Na, wenn das kein gutes Zeichen ist!"
Doch eine ältere Dame, die aufgeregt etwas zu suchen schien, hatte dazu wohl eine ganz andere Meinung.
"Dreizehn? Um Himmels willen", rief sie aus und schlug die Hand vor den Mund, "das kann doch kein gutes Zeichen sein, Fräulein! Mir hat diese vertrackte Zahl wirklich immer nur Unglück gebracht. Es ist ja seltsam, dass es in diesem Hotel überhaupt ein Zimmer mit so einer Nummer gibt", nörgelte sie weiter, bis ihr Blick auf die Handtasche fiel, die mit einem Riemen am Koffer befestigt war.
"Ach, da ist ja das vertrackte Ding", rief sie plötzlich erfreut aus, ihr Ärger schien vergessen zu sein, denn ihr rosiges Apfelgesicht wurde von einem breiten Lächeln zerfurcht. Anne zwinkerte ihr zu.
Andere waren weniger gut gelaunt, sie beschwerten sich lautstark, dass sie kein Zimmer mit Meerblick bekommen hätten.
"Bei dem Preis ist das doch wohl das Mindeste!"
Der arrogante Ton ging Anne auf die Nerven, doch gleich darauf besann sie sich: Die sind eben genauso urlaubsreif wie ich, dachte sie versöhnlich.
Die
alten Hasen
waren sofort zu erkennen, nicht nur an ihrer gesunden Bräune, sondern auch an ihrer gelassenen Neugier, mit der sie die nervösen Neuankömmlinge bemusterten.
Ein älterer Herr in Shorts, Turnhemd und Strohhut meinte im Fahrstuhl zu seiner Gefährtin: "Weißt, Leni, in Deutschland scheint´s Frühling geworden zu sein. Könne mär oigentlich hoimfohre."
Leni, es war schwer zu sagen, ob es sich um seine Frau oder seine Tochter handelte, nickte zustimmend während sie versuchte, ihren Fuß unter Annes Reisetasche hervor zu ziehen.
"Oh, Verzeihung", Anne lächelte schuldbewusst und zog schnell die Tasche etwas beiseite.
Leni dankte ihr mit einem hoheitsvollen Nicken.
Endlich im Zimmer mit der Nummer Dreizehn.
Anne ließ die Reisetasche einfach fallen, öffnete das Fenster und trat auf den Balkon hinaus, freute sich über den herrlichen Ausblick und die frische Brise, die vom Meer herüber wehte. Ihr Blick fiel auf den wunderschönen Hibiskus, der sie schon bei ihrer Ankunft verzaubert hatte, auf Hochbeete, in
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