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Stillmanns Münzen (German Edition)

Stillmanns Münzen (German Edition)

Titel: Stillmanns Münzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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nun mach' das Licht an, damit wir uns besser unterhalten können!“
    Nicht wie vorhin löst sich Michael jetzt sofort aus der Lethargie und folgt der Aufforderung wie ein gelehriger Schüler. Da sitzt er nun, der hagere Mann, auf Michaels Sofa, mit einer Waffe in der Hand. Ein Revolver, viel kleiner als Michael vermutete und befürchtete. Der hagere Mann trägt seine Kleidung von gestern, als hätte er nicht geschlafen und vor Michaels Haus gewartet, bis dieser endlich zur Arbeit geht. Man hat gar nicht bemerkt, dass die Tür ohne Schlüssel geöffnet wurde. Machte der hagere Mann so etwas öfter?
    „Und jetzt gib' mir meine Münze!“
    Michael fragt sich, ob er sie ihm geben würde, wenn er sie noch hätte. Heute scheint es wahrscheinlicher, schließlich wird sein Leben gerade bedroht. Aber er kann sie nicht zurück geben. Sie ist verschwunden. Und das sagt er dem hageren Mann.
    „Wie? Verschwunden? Willst du mich verarschen?!“ schreit er nun und springt von dem Sofa, als wäre er jünger als er aussieht. Wie die agile, schnelle Bestie, vor der sich Michael so fürchtet, steht er nun vor ihm und schaut ihm direkt in die Augen, so nah, wie ihm vorhin David war.
    „Meine Münze kann nicht so einfach...“
    Der hagere Mann hält inne, lässt die Hand mit der Waffe sinken, hebt seine freie Hand vor den Mund und flüstert was von Gott. Seine Augen fragend und erschrocken in Michaels bohrend.
    „Du hattest eine zweite“, flüstert er, „ich fasse es nicht. Du hast die zweite Münze, du verdammter Narr, und du hast sie beide aufgelegt. Weißt du eigentlich, was das bedeutet? Du musst von Sinnen sein!“
    Der hagere Mann dreht sich ruckartig um, sodass Michael erschreckt. Er geht zur Couch zurück und öffnet seine schwarze Tasche, zu groß für eine Aktentasche, eher eine für Ärzte. Sie war Michael zuvor nicht aufgefallen. Wieder dieser Impuls zu fliehen, jetzt erst recht. Aber es ist zu spät. Der hagere Mann hat sich umgedreht und ist wieder so schnell bei ihm, dass Michael sich fragt, ob er seine Füße auf dem Boden hat. Ehe er reagieren kann, sticht ihm der hagere Mann eine Nadel in den Hals. Durch eine Spritze wird Flüssigkeit gedrückt. Michaels Hals schwillt an, fühlt sich an wie ein dicker Kürbis, der gleich platzt.
    „Es ist besser, wenn du das nicht mitkriegst“, hört er den hageren Mann noch sagen, bevor sein Bewusstsein und sein Körper fallen, hinein in Schwärze, auf den Boden. Aus.
     

VII
     
    Ich halte Michael und sein Leben für erbärmlich, ja, ich habe ihm weniger an Ambitionen gegeben als ich sie besitze. Vielleicht damit ich mich besser fühle, hier, im Dunkeln der Stadt. Aber so ambitionslos und selbstgenügsam wie er ist, habe ich trotzdem Mitleid mit ihm. Gib' dem langweiligen Typen kurzzeitig eine Gabe und nimm' ihm diese noch viel schneller wieder weg. Meine Art von Ironie, worauf mein Begleiter nie käme.
    Die Menschen verdienen es nicht, begabt zu sein, weil sie es meist nicht bemerken oder Begabte missachten. Es grenzt an Sarkasmus und Häme, was Michael widerfährt. Und so muss es sein. Sah er vor dem Auflegen der Münzen nur seinen begrenzten Alltag und danach zu viel von einem Wissen, das er gar nicht haben wollte, so sieht er jetzt, als er wieder aufwacht, gar nichts mehr. Es macht keinen Unterschied, ob er die Augen öffnet oder geschlossen hält. Da ist nur Dunkelheit. Erst glaubt er, das Licht sei aus, dass womöglich der Strom ausfiel. Wieder überkommt ihn das Gefühl, alles nur zu träumen. Doch die Stimme des hageren Mannes zerstört alles.
    „Ah, da ist ja jemand wach“, sagt er freundlich, aber es klingt nach demselben bösen Unterton. Als Michael versucht sich zu bewegen, gelingt ihm das nicht. Er ist an einen Stuhl gefesselt. Ein Stuhl aus der Küche, denkt er, derselbe harte Sitzbezug. „Sieh mal, du kannst mir meine Münze nicht wiedergeben, weil du sie aufgelegt hast. Also hab' ich mir genommen, womit sie verschmolzen ist.“
    „Was haben Sie mit mir gemacht?“, krächzt Michael. Er blinzelt, aber sieht nichts.
    Er sieht nichts!
    Dann spürt er den Schmerz in seinen Augenhöhlen, dumpf nur, als würde sich Metall dagegen drücken, rundes Metall, Münzen vielleicht.
    „Das hab' ich dir doch gerade gesagt. Hörst du mir nicht zu? Ich hab' mir deine Augen genommen, du verdammter Dieb. War ziemlich leicht. Sie haben jetzt eine völlig andere Konsistenz.“
    Michael hört, wie eine Tasche geöffnet und wieder geschlossen wird. Der hagere Mann

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