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Stillmanns Münzen (German Edition)

Stillmanns Münzen (German Edition)

Titel: Stillmanns Münzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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schlafen.
    Als Michael sich die Zähne putzt, denkt er an seine Münzen. Ja, es sind seine Münzen, ganz gleich, ob der hagere Mann eine für sich beansprucht. Und nachdem er sich angezogen hat, sucht er nach ihnen, denn auf einen ersten Blick ins Zimmer waren sie nicht zu entdecken. Er wühlt im Bett, er schaut hinter den Fernseher, in all seine Taschen, sogar in jenen Hosen, die er gestern gar nicht trug. Doch die Münzen bleiben verschwunden.  
    Zuerst erstarrt er vor Schock. Der hagere Mann musste bei ihm eingebrochen sein. Vielleicht hat er sich mit ihm unterhalten, vielleicht hat er Michael unter Drogen gesetzt. Doch ein Blick zu seiner Wohnungstür verrät, dass sie die ganze Nacht verschlossen geblieben ist. Die Kette hängt im Schloss. Durch das Fenster vielleicht? Aber nein, Michael wohnt im dritten Stock.  
    Enttäuscht stellt er fest, dass es nur eine mögliche Antwort für das Verschwinden der Münzen gibt: Er hat sich alles nur eingebildet. Und die Münze, die er vor Jahren schon gefunden hat, liegt noch immer in seinem Spind und ist vielleicht gar kein ,Quarter Dollar', und wenn, dann bestimmt nicht aus dem Jahre 1973.
    Schließlich beruhigt er sich und macht sich Frühstück. Er hat noch Zeit, um vor der Arbeit einen Film zu schauen. Aber als Michael versucht, sich darauf zu konzentrieren, wird ihm nach wenigen Minuten schummrig und schlecht, wie am Beginn einer Grippe. Es ist zu hell, zu viele Bilder und Schnitte, und er schaltet den Film aus und verharrt auf seinem Sofa, bis es draußen dunkler wird und er zur Arbeit muss. Wie gut, dass niemand außer ihm Endschichten übernehmen will.
    Ihm ist noch schwindelig, als er seine Wohnung verlässt, aber er schreibt es seinem Gefühl zu, noch nie so schlecht geschlafen zu haben wie in der letzten Nacht. Das Abenteuer ist vorbei. Gestern hat ihm seine Einbildungskraft einen bösen Streich gespielt, und er überlegt, ob er das alles aufschreiben soll. Aber nein! Zu aufwändig.
    Als er im Kino in seinem Spind nach der Münze sucht, und sie nicht im Umschlag findet, ist klar, dass es auch diese niemals gab. Erleichtert lacht er auf, zieht seine Arbeitskleidung an und geht nach vorne zum Einlass, wo David und Maria auf ihn warten. Die beiden sind in ein Gespräch vertieft, wie so oft, in ihrer Muttersprache, und Michael fragt sich ein jedes Mal, worüber sie sich so viel unterhalten können, sie kennen sich doch schon ihr ganzes Leben, und ihre Gespräche klingen immer so, als ob sie sich über etwas austauschen, das sie noch nie zuvor ansprachen.
    Mit einem lauten ,Hallo' macht er auf sich aufmerksam, und als David und Maria ihr Gespräch unterbrechen, bereut er es schon. Er hätte sich einfach zu ihnen gesellen und darauf warten können, dass sie losgehen, um die Säle zu putzen. Aber zu spät. Und als sie die Köpfe in seine Richtung drehen, die Gesichtsausdrücke in einvernehmlicher Weise erbost, als hätte man sie in einem der wichtigsten Dialoge unserer Zeit unterbrochen, stimmt etwas überhaupt nicht mehr an diesem Bild. Das Geschwisterpaar starrt ihn an, als hätte es ihn noch nie gesehen. Michael möchte schon fragen, was los sei, als Maria das Wort ergreift und erschrocken flüstert: „Wie siehst du denn aus?“
    Michael versteht nicht. Wie soll er denn aussehen? Als er sich im Spiegel betrachtet hat, doch ganz normal. Und die Leute auf der Straße haben nicht so seltsam reagiert. Nun, Michael hat nicht unbedingt auf die anderen geachtet, weil er zu sehr auf sich selbst konzentriert war. Auf sein Befinden. Ihm ist noch immer schwindelig.
    „Sag mal, hast du Drogen genommen, oder was?“, fügt David hinzu und die beiden kommen näher. Ihr Gram wird von einem Lächeln abgelöst, in dem Michael Schadenfreude zu erkennen glaubt.
    „Ey, wenn André dich so sieht, dann mal gute Nacht!“
    Als die beiden ihn erreichen, kommt David ganz nah an Michaels Gesicht. Aus Furcht weicht Michael nicht aus. Der Spanier blickt ihm direkt in die Augen, forschend und belustigt.
    „Deine Pupillen sind ja ganz geweitet. Man sieht gar nicht mehr deine Augenfarbe. Was hast du bloß genommen?“
    Michael erwidert, dass er nicht wüsste, wovon er redet. Dann wird ihm klar, dass sie ihn verarschen. Ja, das geschieht häufiger, daran ist er gewöhnt. Also löst er sich aus Davids Blick und geht zum Pult am Einlass und schlägt vor, dass sie losgehen, die Säle putzen, denn die ersten Gäste kämen schon heraus. Die meisten Filme seien vorbei. Und während er redet und das

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