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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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uns“, erklärte der TKKG-Häuptling,
„machte sie einen sympathischen Eindruck. Aber man kann sich ja täuschen. Gibt
es einen Grund für Ihre Abneigung?“
    Pauline lachte leise und trat zum
Tisch, wo ein Krug mit Orangensaft stand und ein Tablett Gläser. Sie trank aus
einem halbvollen Glas.
    Sigismund kaute auf der Unterlippe und
schien nach einer Antwort zu suchen.
    „Es gibt keinen Grund, den man
akzeptieren kann“, sagte Pauline. „Susi Welmhoff und Bernd Saifenrieder haben
Sigismund das kleine Landhaus weggeschnappt, das er kaufen wollte. Es liegt
nördlich von hier und dichter bei Bad Fäßliftl. Das Anwesen hier ist Sigi ein
bißchen zu groß. Viel Arbeit fällt an. Sigi hat bereits einen Käufer. Aber dann
ist nichts daraus geworden, weil er den ehemaligen Pürtninger-Hof nicht
gekriegt hat.“
    „Hm“, meinte Gaby. „Deshalb braucht man
doch nicht gleich das Kriegsbeil auszugraben. Wir bleiben dabei: Susi ist nett.“
    „Außerdem“, knurrte der Alte, „lebt sie
mit diesem Kameramann in wilder Ehe.“
    Die Jungs grinsten.
    Er benimmt sich, dachte Tim, als wäre
er aus dem vorigen Jahrhundert. Wo doch heutzutage eheähnliche
Zweiergemeinschaften sogar rechtlich anerkannt sind — auch ohne Trauschein.
    „Du verkalkst“, sagte Pauline. Sonst
nichts.
    Sie hatte vier Gläser gefüllt, und die
TKKG-Bande konnte endlich den Durst löschen.
    Pauline erkundigte sich, ob sie schon
ein Nachtmahl — wie es in Österreich heißt — gehabt hätten.
    „Absolut nicht“, rief Klößchen sofort. „Rein
gar nichts. Es war eine anstrengende Reise mit wenig Verpflegung.“
    „Du solltest fasten“, knurrte sein
Oheim. „Das sage ich dir als Arzt. Du bist zu dick. Woran liegt das?“
    „Kei... keine Ahnung“, stotterte
Klößchen. „Viel... vielleicht eine gewisse Veranlagung. Papa ist auch... äh...
wohlbeleibt.“
    „Wohlbeleibt? Du bist fett. Solange ich
dich hier habe, wirst du auf Diät eingestimmt.“

    Klößchen wurde noch blasser. Sein Blick
suchte die Reisetasche, in der sich zwölf Tafeln Schokolade befanden.
    Seine Freunde verzogen keine Miene.
    „Ich habe eine kalte Platte vorbereitet“,
sagte Pauline, „dabei aber nur an drei Personen gedacht — und ich bin ein
schlechter Esser. Jetzt sind wir sechs. Gaby, kommst du mit in die Küche? Wir
erweitern die Brotzeit. Aber vorher müssen wir noch klären, wo wir euch
unterbringen. Willi kommt in das kleine Gästezimmer, klar.“ Sie wandte sich an
Holmann, mit dem sie offenbar eine bewährte Freundschaft verband. „Und wie
weiter, Sigi?“
    „Keine Ahnung. Äh, ich hätte nebenan
noch den großen Zirbelraum mit zwei Gästebetten. Aber eben nur mit zweien.“
    „Das reicht für Tim und Karl“,
entschied Pauline. „Du, Gaby, kannst bei mir wohnen. Es sind nur zwei
Kilometer. Und mit meinem Straßenkreuzer fahre ich täglich zigmal hierher.
Damit“, sie lächelte, „Sigi sich nicht einsam fühlt.“
    „Wahnsinnig gern“, rief Gaby.
    Als die beiden sich in Richtung Küche
absetzten, sagte Holmann: „Für Willi nur Salat! Ist das klar?“
    „Er hat eine beschwerliche Reise hinter
sich“, erwiderte Pauline. „Außerdem wächst er noch. Er kriegt Schinken,
Bauernbrot, Ziegenbutter, unseren herrlichen Käse — und der kalte Braten muß
sowieso weg. Mit deiner Diät, Herr Doktor, kannst du Willi ab morgen quälen.“
    Klößchen beugte sich zu Tim und
flüsterte: „Eine phantastische Frau!“
    Dieser Meinung war der TKKG-Häuptling
auch. Allerdings aus anderen Gründen.
    Zehn Minuten später saßen alle um den
großen, bäuerlichen Holztisch herum.
    Dessen Platte hätte sich gebogen unter
dem, was Pauline auftischte. Aber die Platte aus Eichenholz war zehn Zentimeter
dick und hielt einiges aus.
    Klößchen fühlte sich unbehaglich.
    Zum einen wurde er von seinem Oheim
beobachtet, zum anderen mußte er erzählen.
    Da man mit vollem Mund nicht spricht,
entstanden also längere Ruhepausen für die Zähne.
    Klößchen geriet — was noch nie
dagewesen war — hoffnungslos ins Hintertreffen mit seiner Nahrungsaufnahme.
    Tim hatte bereits zwei Schinken- und
ein Käsebrot vertilgt. Klößchen knabberte immer noch am ersten. Immer wenn er
wieder zubeißen wollte, stellte Oheim Sigi die nächste Frage — nach der
Sauerlichschen Familie, der Schoko-Produktion, nach den Lebensumständen und
nach der Schule.
    Dem Erbschaftsanwärter trat Schweiß auf
die Stirn.
    „Nun laß ihn doch mal essen, Sigi“,
sagte Pauline. „Ihr habt tagelang Zeit,

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