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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Nachforschungen anzustellen. Und du
wirst mir vermutlich keinen Namen nennen.“
    „Es gibt niemanden“, behauptete Andy, „der
Alte ist ein unausstehlicher, grimmiger Einzelgänger.“
    Dünnes Eis, dachte Andy, der Kerl
braucht sich nur ein bißchen umzuhören. Dann würde man ihm sagen, daß Sigi in
Pauline eine Lebensgefährtin gefunden hat. Hoffentlich passiert das nicht. Aber
wenn dieser Verbrecher mich im Keller zurückläßt, kann ich mich befreien. Und
dann reicht die Zeit noch für Gegenmaßnahmen.
    Andy täuschte sich.
    Der Verbrecher trieb ihn in den Keller
hinunter, wo der Heizungsraum mit dem Öltank sich als Verlies anbot.
    Es gab nur ein winziges, rückseitig
gelegenes Fenster.
    Grobalsky fand Stricke.
    Dem Arzt fesselte er die Füße, und die
Handfessel verstärkte er. Das Taschentuch füllte Andys Mund als Knebel.
Zusätzlich klebte Grobalsky seinem Opfer ein breites Heftpflaster auf die
Lippen.
    Auf einer umgestülpten Kiste sitzend,
konnte Andy sich an die Wand lehnen. Ansonsten war er hilflos wie eine Raupe.

    Grobalsky schloß die Tür des
Heizungkellers ab, ließ den Schlüssel aber stecken.
    Im Wartezimmer verriegelte er das
Fenster.
    Aus Gewohnheit durchsuchte er das Haus,
entdeckte etwas Bargeld und eine wertvolle Armbanduhr, die teils aus Edelstahl,
teils aus Gold angefertigt war.
    Vorsichtig öffnete er die Haustür.
    Sie hatte auf der Außenseite keine
Klinke, sondern einen Knauf. Es genügte also, sie hinter sich ins Schloß zu
ziehen. Öffnen konnte nur, wer einen Schlüssel hatte.
    In diesem Moment hielt ein Wagen vor
dem Gartentor, und eine junge Frau stieg aus.
    Grobalsky drückte die Tür zu und
wartete.
    Schritte auf den Steinstufen. Jetzt
wurde geklingelt.
    Hau ab! dachte er. Heute ist keine
Praxis. Der Doktor ist zum Golfen in Grienfrieberg.
    Zum Teufel — brauchte die lange, bis
sie begriff.
    Wieder klingelte die dumme Nuß, und
wieder und wieder.
    Endlich zog sie ab.
    Grobalsky wartete, bis er den Wagen
nicht mehr hörte.
    Reine Luft. O.k., nichts wie weg! Er
verließ das Haus.
    Es war inzwischen hoher Vormittag, und
auf den Straßen von Fäßliftl herrschte Betrieb.
    Aber für den Friedhof war es immer noch
zu früh.
    Mal sehen, dachte Grobalsky, was Alma
treibt.
    Er schnürte zur Schrebergasse, schloß
die Eingangstür des verwahrlosten Häuschens auf und — spürte sofort, daß sich
hier was verändert hatte.
    Ein Geruch schwebte in der Diele.
    Muffig, schal, bitter — der Geruch, den
es nur innerhalb von Gefängnismauern gibt.
    Und da trat auch schon Oswald
Flinkfinger, genannt ,Kralle’, aus dem Boudoir seiner Mutter. Er grinste.
    Grobalsky riß, scheinbar erfreut, die
Hände in die Höhe.
    „Mensch, Oswald! So früh schon? Dich
habe ich erst nachmittags erwartet.“
    „Um sechs Uhr haben sie mich
rausgelassen. Ich rein in den Frühzug und hierher ohne Aufenthalt.“
    Sie klopften sich gegenseitig auf die
Schulter.
    Oswald war ein langer, schmaler Kerl,
der irgendwie an einen Spargel erinnerte. Die Natur hatte seinen Kopf abgeplattet
hinten und vorn. Die fliehende Stirn schien bis zwischen die kleinen Ohren zu
reichen. Der Hinterkopf war null ausgeprägt, so daß unweigerlich jeder Hut ins
Genick rutschte. Der Hals war sehnig und fast so dick wie der Kopf. Die Warzen
am Hals fielen auf und störten beim Rasieren. Oswald hatte dicke, schlaffe
Lippen und einen blassen Blick unter schweren Lidern. Aber der Typ war nicht so
blöd, wie er aussah. Alma täuschte sich mit ihrer Geringschätzung.
    „Du bist seit gestern hier, sagt
Mutter.“
    „Habe mich noch einige Tage in Wien
rumgetrieben.“
    Alma war in der Küche und bereitete ein
Frühstück für ihren Sprößling.
    Er und Grobalsky setzten sich in den
sogenannten Wohnraum. Die Cognac-Flasche stand auf dem Tisch, aber es war kaum
noch was drin.
    Eine Weile redeten die beiden den
üblichen Stuß. Es gab kein Thema in ihrem begrenzten Horizont, das sie nicht
x-mal durchgehechelt hatten. Immerhin hatten sie lange in derselben Zelle
gesessen und waren sich gegenseitig auf die Nerven gegangen.
    Dann ließ Grobalsky die Katze aus dem
Sack.
    „Oswald, ich bleibe nur bis
Sonntagnacht.“
    „Was?“
    „Morgen nacht haue ich ab.“
    „Wieso? Ich denke, du willst dir hier
eine Bude suchen — und wir arbeiten künftig zusammen.“
    „Hatte ich auch vor.“
    „Aber?“
    „Es ist da was schiefgelaufen. Eine
Sache, von der du nichts weißt. Sie geht wirklich nur mich an, und ich wollte
dich da nicht reinziehen. Jetzt

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