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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Sonst wüßten Sie das alles.“
    Wieder redete der Ganove weiter, ohne
darauf einzugehen. „Du hast keine Kinder, Quacksalber. Aber du hast einen
Neffen. Offenbar ist er dein einziger Verwandter. Ihn werde ich umbringen.“
    Holmann lachte. „Wirklich? Kann ich
mich darauf verlassen?“
    „Was soll das heißen?“
    „Ob Sie ihn wirklich umbringen, diesen
Mistkerl?“
    „Sage ich doch. Wieso Mistkerl?“
    „Ich verabscheue diesen aufgeblasenen
Wicht.“ Holmann blähte den Hals, als überschreite er die Schwelle zu einem
Tobsuchtsanfall. „Nein, ich hasse ihn. Kein Tag verging, an dem wir uns nicht
in den Haaren lagen — wegen der Pacht. Vor drei Jahren, als ich mit dem
Praktizieren aufhörte, fand ich keinen geeigneten Nachfolger. Kein Kollege
wollte in die Provinz. Andreas war der einzige. Wohl oder übel mußte ich ihn
nehmen, obwohl ich ihn nicht leiden kann, seit kleinauf. Als Junge hat er mir
immer in die Schuhe gepinkelt. Mein ganzer Schuh-Schrank war naß. Im Garten hat
er die Blumen geköpft. Seine Spezialität war, aus meinen Autoreifen die Luft
rauszulassen. In einem besonders strengen Winter haben er und seine Kumpane
fünf Raummeter Schnee — des Nachts — vor meine Haustür geschaufelt. Bis hoch an
die Lampe. Mit Wasser haben sie alles begossen. Morgens lehnte sich ein Eisberg
ans Haus, an den Eingang. Ich mußte meine Patienten durch die Kellertür
reinlassen. Mann, räumen Sie den Andreas aus dem Weg, und ich schließe Sie in
mein Nachtgebet ein.“

    Tim, Karl, Klößchen, Gaby und Pauline —
alle sahen sich an. Es klang fürchterlich, wie Sigi seine Mordlust
herausschrie. War der Oldie übergeschnappt?
    Betroffenheit legte sich auf die
Gesichter der TKKG-Bande. Immerhin wußte man von den Spannungen zwischen Oheim
Sigi und seinem Neffen Andreas.
    Der alte Schlaufuchs probt einen Trick,
dachte Tim.
    Pauline plinkerte schon. Sie wußte
Bescheid.
    Leider roch auch der Ganove den Braten.
    „Ein billiger Trick, Quacksalber. Du
willst mich reinlegen. Glaubst du, du könntest deinen Neffen damit retten? Und
wenn! Vielleicht ist es dir lieber, daß ich dich umbringe. Einer von euch
beiden stirbt.“
    „Wir sterben alle, Freundchen. Der eine
früher, der andere später. Im übrigen war’s wohl ein Fehler, auf den Mistkerl
zu schimpfen. Also: Mir bricht das Herz, wenn dem armen Andreas was geschieht.
Er ist noch so jung. Bitte, verschonen Sie ihn. Schießen Sie auf mich. Ich bin
zu nichts mehr nütze.“
    „Einer von euch beiden stirbt“,
wiederholte der Anrufer und legte auf.
    Holmann sah seine Zuhörer an.
    „Nun, wie war ich?“
    „Es klang beängstigend“, sagte Gaby.
Sie hatte sich auf die andere Seite neben den Arzt gesetzt und das Gespräch
Wort für Wort angehört. „Man könnte meinen, Sie wünschen Ihrem Neffen das
Schlimmste.“
    „Hoffentlich“, meinte Klößchen, „erfährt
Grobky nicht, daß es noch einen zweiten Neffen gibt. Nämlich mich. Dann werde
ich die Zielscheibe.“
    „Alles, was ich über Andreas gesagt
habe, stimmt“, murmelte Holmann. „Und wir reden nicht mehr miteinander.
Trotzdem hoffe ich, daß ich das Opfer bin — falls es ein Opfer geben wird. Habe
ich diesen Wahnsinnigen überzeugt? Glaubt der wirklich, daß es mir zur Freude
gereicht, wenn er Andreas umbringt?“
    „Das Wichtigste ist jetzt“, meinte Tim,
„Ihren Neffen zu warnen.“
    Holmann schob dem TKKG-Häuptling das
Telefon hin. „Mach du das. Andreas und ich — wir reden nicht miteinander.“
    „Ich glaub’s nicht“, sagte Tim. „Sie
haben einen Dickschädel, Sigi, wie ein Distelfink. Oder wie heißt das große,
graue Tier mit dem langen Rüssel zwischen den Stoßzähnen? Wie ist die
Rufnummer?“
    Immerhin — Sigi wußte sie auswendig.
    Tim horchte auf das Freizeichen.
    Niemand nahm ab.
    „Nicht zu Hause.“
    „Da wir ohnehin in die Stadt fahren“,
sagte Karl, „können wir die Warnung persönlich überbringen.“
    Sigi stieg die Treppe hinauf, um sein
Jackett zu holen.
    Tim flitzte ins Bad, duschte den
eingetrockneten Jogging-Schweiß weg und brauchte insgesamt sechs Minuten, um
sich dann geschniegelt und gebügelt in der Diele einzufinden.
    Holmann führte die TKKG-Bande in die
Stall-Garage, wo die beiden Oldtimer standen.
    Bei dem Typ 540 K von 1936 handelte es
sich um einen spezial-Roadster: lang, flach, geduckt, rotlackiert, mit
Speichenrädern und enorm langer Motorhaube.
    „Da schlägt einem Fan das Herz
schneller“, meinte Holmann und streichelte die gelben

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