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Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Titel: Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Brodie
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deinen Lehrern?«
    Maggie besah ihre Handfläche und fragte sich, ob diese Verästelungen da unten am Ende ihrer Lebenslinie Kinder, Ehemänner oder viele Todesfälle bedeuteten. »Sie haben mit meinem Dad gesprochen.«
    »Ja.«
    Maggie lächelte, ohne den Blick zu heben. Eins musste man Dr.   Riley wirklich lassen   – er war immer offen, wenn man ihn direkt auf etwas ansprach. Sie hätte sich auch nie auf diese Therapiestunden eingelassen, wenn sie nicht das Gefühl gehabt hätte, dass er ihr gegenüber absolut aufrichtig war.
    »Dein Dad ist etwas besorgt«, fuhr Dr.   Riley fort. »Er sagt, du hättest Probleme mit deiner Mathelehrerin.«
    »Nicht wirklich Probleme. Wir wechseln ja kaum mal ein Wort.«
    »Aber du magst sie nicht, oder?«
    Nein, Maggie mochte Mrs Murdock nicht, und es war schwer zu sagen, warum eigentlich nicht. Die Frau war weder streng noch bösartig oder unfair. Und sie war auch nicht affektiert oder verlogen   – Maggies Hauptkritikpunkte an der Welt der Erwachsenen. Ja, sie versuchte noch nicht mal, jemandenmit ihrem Aussehen zu beeindrucken. Maggie hasste es nämlich, wenn Lehrerinnen zu viel Make-up trugen, hohe Absätze oder Blusen, die so weit aufgeknöpft waren, dass man einen Spitzen-BH hervorlugen sah, so als wollten auch sie   – wie alle anderen weiblichen Wesen im Schulgebäude   – Eindruck schinden bei den Jungs.
    Maggie machte sich nicht viel aus Jungs. Sie trug weder Mascara noch Parfüm und frisierte sich ihren Pony nicht zur Seite. Ihr einziges Zugeständnis an die Mode waren ihre sieben Paar farbige Converse mit hohem Schaft, die zum Regenbogen aufgereiht unten in ihrem Kleiderschrank standen, von Rot über Pink bis hin zu Weiß mit schwarzen Karos. Ansonsten hielt sie sich an zerrissene Jeans und T-Shirts mit Rundausschnitt   – weshalb sie fand, dass sie Mrs Murdock eigentlich hätte mögen müssen, denn auch die Mathelehrerin schien sich nichts aus Kleidung zu machen. Jeden Tag trug sie knielange Röcke in gedeckten Farben, langärmlige weiße Blusen und ein Paar ausgetretene braune Sandalen. Wenn sie an der Tafel stand, sah sie die Klasse selten mal an. Sie bot den Schülern meist den Anblick ihres blondgesträhnten Haarknotens, den sie mit einem halben Dutzend Haarklammern kreuz und quer so festgesteckt hatte, dass er eher an ein Vogelnest erinnerte.
    Maggie vermutete, dass Mrs Murdock schüchtern war, und normalerweise mochte sie schüchterne Menschen. Sie stellte sich immer vor, dass in deren Köpfen sehr viel mehr vor sich ging als in denen der üblichen Schwätzer. Die meisten Leute sprudelten ihre Gedanken hervor wie ein undichter Wasserhahn, und Maggie malte sich aus, dass die Schüchternen noch Tausende ungenutzter Ideen hatten, die sie einem geduldigen Zuhörer offenbaren würden. Deshalb saß sie auch gern mit den eher stillen Mädchen zusammen in der Cafeteria. Ihr Dad hatte ihr erzählt, dass die schüchternen Kinder oft die klügsten Köpfe waren und als Erwachsene später großartige Dinge erreichten.
    Zugegeben, das hatte er vor allem gesagt, weil Maggie anfangs in der Schule schrecklich schüchtern gewesen war. Bis zur dritten Klasse hatte sie im Unterricht kaum einmal den Mund aufgemacht. Sie hatte gespürt, dass sie anders war als die anderen Kinder   – die einzige Grundschülerin mit einem Therapeuten. Erst im Alter von neun Jahren hatte Maggie begonnen, sich der Welt zu öffnen und sich ähnlich veranlagten Mädchen anzuschließen, die ähnlich schüchtern, klug und desillusioniert schienen   – der einzige Freundeskreis, in dem auch sie einmal Königin sein konnte. Mit einsetzender Pubertät hatte sie sich wieder mehr in ihren Kokon zurückgezogen. Aber sie konnte immerhin noch genug Selbstvertrauen aufbringen, um beim Lunch in der Schulcafeteria einfach ein Gespräch zu beginnen.
    »Glaubst du, dass das Problem mit einer Abneigung gegen Mathe zu tun hat?«, fragte der Arzt.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Bist du gut in Mathe?«
    »Es ist mein schlechtestes Fach.«
    »Könnte es also sein, dass du deine negativen Gefühle für das Fach auf deine Lehrerin überträgst?«
    Das bezweifelte Maggie. »Mrs Murdock ist einfach bloß seltsam. Irgendwie kriege ich in ihrer Nähe immer eine Gänsehaut. Ich meine, sie weicht ja sogar meinem Blick aus, und wenn Leute einen nicht mal ansehen können, wirken sie schuldig.«
    »Augenkontakt ist wichtig«, stimmte der Arzt zu. »Aber du kennst sicher Anna Kennedy, der die Eisdiele gehört. Sie sieht

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