Stimmen
mehrere Befehlstasten und ging einige digitale Hilfsvorschläge durch. »Tracy weigert sich, diese Software auf Fehler und Viren zu durchforsten. Deshalb haben wir jetzt den Schlamassel.«
Peter konnte den Blick nicht von Saschas Gesicht wenden. »Weißer Mann hat Seele geraubt«, bemerkte er mit trockenem Mund. Selbst als Standbild wirkte Sascha gesund und natürlich. Und sie sah auf dem Schirm keinen Tag älter aus als damals, als Peter die letzten Aufnahmen von ihr gemacht hatte. »Ich mein’s ernst, Karl. Bitte.«
Karl blickte auf. »Mein Gott, du siehst ja schrecklich aus. Geht’s dir nicht gut?«
»Ich will sie nicht so sehen.«
»Tut mir Leid.« Karl war verblüfft. »Lass mich noch schnell Zwischenspeichern.«
Als er auf die Tastatur klopfte, machte das Bild plötzlich einen Satz und franste an den Rändern aus. Die Augen wurden milchig-trübe und verschwanden danach völlig von der Bildfläche, ließen nur schwarze Höhlen zurück. Peter sah zu, wie Saschas Bild immer schwächer wurde. Ihre Farben verblassten, als wären sie ausgeblichen. Saschas Ebenbild starrte Peter aus leeren Augenhöhlen an, sah ihm direkt in die Augen und wisperte mit ausgefransten Lippen in dünnem Pfeifton: »Du solltest mich nicht allein in dieser Kiste lassen. Ich bin ein Mädchen, das viel Liebe braucht. Wo hast du gesteckt, Peter? Warum hast du mich ganz allein in dieser Kiste gelassen?«
Plötzlich fuhr Peter ein scharfer Schmerz durch Backenzähne und Arm. Er griff nach seiner Schulter und beugte sich vor.
»Tut mir Leid, sie steckt in einer Schleife fest.« Karl klopfte wie verrückt auf die Tastatur, ließ das Rädchen der Maus erneut vor und zurück rollen und streckte schließlich die Hand nach dem Bildschirm aus, um ihn einfach auszuschalten. Aber ehe er es erledigen konnte, machte das Bild erneut einen Sprung, spulte die letzten Bewegungen im Rückwärtslauf ab, vibrierte und erstarrte erneut. Karl ließ den Finger über der Taste schweben, ohne auszuschalten, da er neugierig war, was als Nächstes passieren würde. »Ups«, sagte er, »böses Mädchen. Na ja, sie ist am Arsch. Scheiße.« Er schaltete den Bildschirm aus. »Tut mir Leid. Gute Nacht, meine Damen!«
Immer noch vorgebeugt, zog sich Peter vom Computer zurück. »Hast du ein Wasser für mich?«
•
Als sie ins vordere Büro zurückgekehrt waren, reichte Karl Peter eine Flasche Evian und zwei Aspirin und nahm auf der Schreibtischkante Platz, während Peter sich den Arm massierte.
»Du siehst ziemlich fertig aus, Peter, wenn du mir die Bemerkung nicht übel nimmst. Tut dir der Arm weh?«
»Geht schon wieder.«
»Mein Vater hatte Angina-Pectoris-Schmerzen in Kopf und Armen. Er musste deswegen…«
»Es ist nur eine Magenverstimmung«, erwiderte Peter und spülte die Tabletten mit einem großen Schluck Wasser herunter. Das Tafelwasser aus der Flasche schmeckte schal. Eigentlich konnte er Evian nicht ausstehen, aber die Flüssigkeit tat seiner Kehle gut.
»Hast du mal ein EKG machen lassen?«
»Erst letzten Monat«, log Peter. »Ich hab einfach zu viel zu Mittag gegessen, und jetzt drückt’s mir auf den Magen.«
Karls Miene verdüsterte sich. »Unsere Damen gefallen dir nicht.«
»Doch, sie sind ganz reizend.« Zu reizend. Bilder von Toten, Erinnerungen an Tote – bis auf Bettie Page und Sascha, die noch am Leben waren, aber dennoch so beunruhigend wie Geistererscheinungen wirkten. Bits und Bytes an Information, die nicht anders konnten, als durch eine Endlosschleife feuchter Männerträume zu tanzen… Perfekt abgestimmt auf männliche Geilheit. Er spürte, wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken kroch. Das alles wirkte allzu sehr wie eine albtraumartige Verzerrung seiner eigenen Filme und Fotografien, seines Lebenswerks.
Wieder einmal ein wichtiges Treffen, das völlig schief läuft.
»Es ist nur so, dass du mir das Gefühl gibst, das fünfte Rad am Wagen zu sein«, sagte er. »Allein der Gedanke daran, was ich bringen muss, um mit Meistern wie dir mitzuhalten, macht mich nervös.«
»Sicher«, erwiderte Karl keineswegs überzeugt. »Nun ja, die Damen sind ja auch nicht für den Markt bestimmt, sie sind nur ein Hobby. Wir sind nun mal unverbesserliche Freaks, haben nicht mal Lizenzen für die Darstellungen.« Karl sah Peter so durchdringend an, als täte es ihm um den ganzen Nachmittag Leid. »Wir könnten Probleme kriegen, wenn uns jemand auf die Schliche kommt, verstehst du?«
»Mach dir deshalb keine Sorgen.«
Karl ging um
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