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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Rücken, ein Strahlenkranz hob ihren Kopf hervor.
    »Hallooo, Jean«, sagte Karl. »Wo hast du denn mein ganzes Leben lang gesteckt?«
    Jean Harlow wandte sich zu ihm um. »Bist du das, Karl?«, fragte sie und belohnte ihn mit einem gelangweilten Lächeln.
    »Kein anderer. Ich möchte dir Peter vorstellen.«
    »Ist er reich?«
    »Sehr reich.«
    Die Harlow starrte Peter direkt in die Augen. Er lachte nervös, als sie blinzelte und ihm einen Kuss zuwarf. »Warum gehen wir zwei nicht tanzen und überlassen Karl seinen Monstern? Ich bin schon den ganzen Tag in dieser Kiste eingesperrt.«
    »Mein Gott«, sagte Peter. »Sie wirkt völlig real. Ist da drüben ein…?«
    »Ein Model im anderen Zimmer?«, ergänzte Karl spöttisch. »Glaubst du etwa, ich bin ein Goldesel?« Er klopfte sich an die Nase. »Jean, könntest du uns Jane holen?«
    Die Harlow warf ihr blondes Haar zurück und setzte eine verächtliche »Na, was soll’s«-Miene auf. Als sie zur Seite trat, kam Jane Russell ins Blickfeld. Karl drehte das Rädchen an der Maus, um einen Weitwinkelausschnitt zu bekommen. Jane Russell stand in einem Filmstudio, das mit einer Windmaschine und einer Kulisse ausgestattet war, die einen Sonnenuntergang am wolkenverhangenen Himmel zeigte. Sie trug die Bluse und den Büstenhalter, die durch den Film Geächtet aus den Vierzigerjahren berühmt geworden waren.
    »Jane, mein Liebling, wie wär’s, wenn du uns ein bisschen mehr Dekolletee zeigst?«
    Sie zuckte die Achseln, zitierte ihr berühmtes »Boys will be boys« – Jungs sind unverbesserlich – und beugte sich langsam nach vorne. Die Hände in die Hüften gestemmt, die Ellbogen abgespreizt, wackelte sie leicht hin und her. Ihr Hüftschwung wirkte sehr überzeugend.
    »In anatomischer Hinsicht sind sie alle perfekte Ebenbilder«, sagte Karl. »Und sie sind sehr entgegenkommend. Wir haben Marilyn, Bettie…«
    »Davis?«, fragte Peter.
    »Nein, Bettie Page, du Spaßvogel. Und etwa ein Dutzend andere. Sie werden alle von einem einzigen Betriebssystem gesteuert. Nicht mal ich weiß, was sie als Nächstes sagen werden.«
    »Ist ja toll«, sagte Peter, klang aber nicht sonderlich überzeugt. In Wirklichkeit gab ihm die ganze Sache inzwischen ein ungutes Gefühl.
    Als Nächstes führte Karl Bettie Page mit ihrem Markenzeichen vor, dem stumpf geschnittenen schwarzen Pony. Sie trug einen Rock mit Leopardenmuster und war gerade dabei, Netzstrümpfe an einer Wäscheleine voller Reizwäsche festzuklammern. Hinter ihr stand eine rosafarbene Couch. Sie hob den Kopf, um strahlend und viel versprechend zu lächeln. »Meine Güte, das ist ja Karl. Wer ist dein Freund?« Sie schlängelte sich vor, bis ihr Gesicht den ganzen Schirm ausfüllte. »Könnt ihr Jungs mir mal helfen, ein paar Möbel herumzurücken?«
    »Heute Nachmittag nicht, Bettie. – Hübsch, nicht?«, fragte Karl, an Peter gewandt. »Die Nächste ist… Sascha Lauten. Das große Los. Ich muss zugeben, dass deine Fotos uns inspiriert haben. Eigentlich gibt der Stoff über sie am meisten her – wenn man das, was du festgehalten hast, als Stoff bezeichnen kann.«
    Ehe Peter etwas einwenden konnte, tauchte Sascha auf dem Schirm auf. Und es war tatsächlich Sascha, einschließlich der Art, wie sie die Arme verschränkte. Karl war immer ein Meister darin gewesen, winzigste Details zu erfassen. Bis auf einen hauchdünnen Schal war sie nackt. Peter merkte, wie er rot wurde.
    »Schön, dich zu sehen, Sascha«, sagte Karl.
    »Schön, gesehen zu werden, besonders wenn es sich um solche Kenneraugen handelt.«
    »Peter Russell will dich auch begrüßen.«
    »Bist du’s wirklich, Peter? Was für eine Überraschung!« Sie nahm sittsam auf einer Art Bürostuhl Platz und zog den Schal weiter herunter. Sascha war das schönste Model gewesen, das je für ihn gearbeitet hatte: Sie hatte Klasse gehabt und mit ihrer üppigen Figur umwerfend ausgesehen; außerdem hatte ihr einladender Blick nicht nur natürlich, sondern auch wie zufällig gewirkt. Auf Peters Fotos hatte sie immer überrascht ausgesehen und gleichzeitig voller Freude darüber, dass überhaupt jemand sie sexy finden konnte. Und das hatte ihr eine Naivität und Verletzlichkeit verliehen, die ihre üppigen Reize Lügen straften.
    »Überspringen wir Sascha«, schlug Peter vor. Aber Karl war so beschäftigt, dass er ihn nicht hörte. Sascha war zum Standbild erstarrt; knallrote Pixel marschierten wie ein Heer von Ameisen über den unteren Bildrand.
    »Verdammt.« Karl drückte

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