Stimmen
er missmutig, stand vom Hocker auf und legte den Bleistift aus der Hand.
Er wusste nicht, wo und wie er anfangen sollte, hatte schon seit Jahrzehnten keine Übung mehr darin. Diese Ideen hatten nichts mit den Filmen gemein, die er früher gedreht hatte. Falls sie den alten Russell wollten, den Russell schräger Sexfilme, stand er auf verlorenem Posten. Diesen Mann gab es schon lange nicht mehr.
Kopfschüttelnd stieg Peter die Treppe hoch. Auf dem Anrufbeantworter in der Küche blinkte eine große rote Zwei auf. Im Keller hatte er das Telefon gar nicht läuten hören. Leicht außer Atem zog er einen Stuhl heran und rief die Nachrichten ab.
»Mr. Russell, hier ist Detective Scragg, Polizei Los Angeles. Irgendeine Sache hat mich mal wieder auf Sie und Ihre Frau gebracht. Wir haben schon länger nicht mehr miteinander gesprochen. Ich bin noch mal einige Unterlagen durchgegangen und wollte mich nur erkundigen, wie es Ihnen inzwischen geht. Es gibt nichts Neues, ich hob nur über ein paar Einzelheiten nachgedacht und noch ein paar Fragen an Sie. Wir sollten uns noch einmal über Grundlegendes unterhalten. Ich rufe von…«
Peter schloss die Augen und drückte auf die Stopp-Taste. Auch der nächste Anruf kam von Scragg. Zuletzt hatten sie vor sechs Monaten miteinander gesprochen, ohne dass irgendetwas Neues dabei herausgekommen war. Ein Fall, der in einer Sackgasse geendet war. Peter hatte keine Lust darauf, sich weiter mit diesen Dingen zu befassen, die ihn nur weiter herunterzogen. Nachdem er beide Mitteilungen gelöscht hatte, wich er vor dem alten Apparat in der Küche zurück, als könnte er Gift verbreiten. Gleich darauf griff er nach dem Trans und gab eine normale Telefonnummer ein, von der er hoffte, dass sie immer noch stimmte.
Mit Karl Pfeil hatte er schon seit Jahren nicht mehr gesprochen.
Kapitel 21
Wenn er in Strümpfen dastand – und das war in diesem Fall wörtlich zu nehmen –, maß Pfeil mehr als einen Meter neunzig. Sein langes blondes Haar fiel ihm über die Augen, als er sich über den breiten gläsernen Schreibtisch beugte, um Peter die Hand zu reichen.
»Acht Jahre, ich hab nachgesehen! Wir haben seit acht Jahren nicht mehr miteinander gesprochen«, sagte er. »Unglaublich, wie die Zeit an einem vorbeirast.«
Die Wände von Karls schlauchartigem, fensterlosem Büro waren mit gerahmten Plakaten und Fotos übersät, außerdem waren drei große Bildschirme in die Wand eingelassen. Zwei waren ausgeschaltet, während einer immer noch Entwürfe von Computeranimationen zeigte – Schleifen von echsenartigen Figuren, die herumspazierten.
»Du hast dich wirklich toll gemacht«, bemerkte Peter mit aufrichtiger Bewunderung.
»Schau nicht hin«, warnte Karl ihn fröhlich und drückte auf eine Taste am Schreibtisch, um den Bildschirm auszuschalten. »Jim Camerons neuer Film. Na ja, vielleicht. Ist noch streng geheim. Was führt dich nach Santa Monica?«
»Ich werde langsam alt.«
Karl verzog das Gesicht. »So ein Quatsch.«
»Ich bin schon so lange aus dem Geschäft, dass ich nicht mal mehr ein Objektiv von einem Pixel unterscheiden kann. Ich brauche deinen kollegialen Rat.«
Karl setzte sich und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch. »Wenn ich mich damit bei dir revanchieren kann…«
Als Jugendlicher, noch völlig unerfahren, hatte Karl an Peters letztem Film mitgearbeitet, bei Q. T., the Sextraterrestrial, und zwei Sequenzen mit gezeichneten Standbildern montiert. Für ein lächerlich niedriges Honorar hatte Karl mit Computerprogrammen ein anatomisch korrekt gezeichnetes außerirdisches Monster animiert, das durch einen College-Campus getobt war und Studentinnen gejagt hatte, die einen LSD-Würfel zu viel geschluckt hatten.
Inzwischen leitete Karl ein Studio für Computergrafik, das als eines der besten an der ganzen Westküste galt.
»Ich hab einen Auftrag an Land gezogen«, erklärte Peter.
Karl, gebräunt, geschniegelt und gestriegelt, trug ein Seidenhemd und Leinenhosen. Sein geckenhaft langes Haar und das Gesicht waren mittlerweile Teil einer flotten persönlichen Note. Plötzlich fröstelte Peter innerlich.
»Wahrscheinlich werde ich ein Video mit Hochauflösung drehen«, fuhr er mit klebriger Zunge fort. »Ich hab aber noch nie eine Beta-Cam oder was man heute dafür nimmt verwendet. Ich würde mir gern ein paar Geräte ansehen, nur damit ich weiß, was ich mieten muss.«
Karl zuckte die Achseln. »Ach was, so wie’s derzeit bei der Elektronik aussieht, kannst du die
Weitere Kostenlose Bücher