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Stine

Stine

Titel: Stine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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überhaupt den Schlüssel und schließt uns jedes Glück auf, vorausgesetzt, daß sie will... Und nun überlassen Sie mir die Wahl, meine Damen. Ich wette, daß ich's für jede von Ihnen treffe.«
    »Das wäre«, sagte Wanda, »da bin ich doch neugierig.«
    »Es ist leichter, als Sie denken. Jedem sind seine Neigungen von der Stirn zu lesen: hier, meine Freundin, ist für Curaçao« (die Pittelkow nickte), »der früher unter dem schlichteren Namen ›Pomeranzen‹ eine nicht verächtliche Karriere machte, Fräulein Stine ist natürlich für Anisette, und Fräulein Wanda für einen Benediktiner oder zwei. Kosten Sie, meine Gnädigste. Wie denken Sie über solche Mönche? Nicht wahr, nicht übel?«
    Es wurde nun immer belebter, und je mehr sich eine narkotische Wolke durch das Zimmer verbreitete, desto mysteriöser wurd auch die Sprache. Der alte Graf übernahm dabei die Führung, während Baron Papageno sekundierte. Beider Intimitäten aber richteten sich ausschließlich an Wanda, weil sie vor den beiden Schwestern eine gewisse Scheu hatten, vor der älteren um ihres unberechenbaren Temperaments, vor der jüngeren um ihrer Unschuld willen. Wanda, die die momentane Vernachlässigung zu Beginn der Tafel längst vergessen hatte, sah in diesem beständigen Sichwenden an ihre Person selbstverständlich nichts als einen ihr zustehenden Triumph und berauschte sich in der Fülle der ihr immer eindringlicher zuteil werdenden Huldigungen. Und was die Huldigungen nicht taten, das tat der Benediktiner. Alle Grandezza war längst abgestreift, und als sie mit einigen Kulissengeheimnissen debütiert und namentlich den alten Direktor in seiner eigentlichsten Sphäre, der des Serails, gekennzeichnet hatte, war sie vorgeschritten genug, dem Wunsche des alten Grafen, der nach Proben ihrer Kunst verlangte, nachzugeben. Ein paar auch jetzt noch verbleibende Bedenken wurden durch Baron Papageno beseitigt, der im rechten Momente erzählte, »die Rachel habe, mit nichts als einem Spitzenschleier drapiert, auf der Pfaueninsel die Phädra gespielt und den Kaiser Nikolaus zur Bewunderung hingerissen: er bezweifle nicht, daß Wanda dasselbe könne, gleichviel nun, ob sie den ›Ritter Toggenburg‹ oder den ›Gang nach dem Eisenhammer‹ oder auch bloß den ›Handschuh‹ deklamiere. Aber einer müsse hinter ihr stehen und die Gesten machen; ohne Gesten sei der Erfolg nur halb.« Diese Frage wurde weiter ausgesponnen, und nachdem man die verschiedenen Formen und Zusätze durchgenommen hatte, durch deren Anfügung die Schillersche Ballade zu höherer Wirkung gelangen sollte, kam man schließlich überein, da doch alles auf den dramatischen Effekt hinauslaufe, lieber die Deklamation ganz fallenzulassen und statt dessen ein Stück aufzuführen: ein Schattenspiel oder am liebsten eine
Kartoffelkomödie
. Dieses Wort, kaum gefallen, wurde mit Begeisterung aufgenommen, und Wanda, nachdem sie die noch vor ihr stehende kleine Tasse geleert, erhob sich von ihrem Sofasitze, zum Zeichen, daß sie nunmehr bereit sei, mit einer dramatischen Aufführung zu beginnen.
    »Aber was? was...? Lustspiel oder Trauerspiel?«
    »Natürlich Trauerspiel...«, so klang es durcheinander, und selbst der junge Graf und Stine, die sich bis dahin zurückgehalten hatten, wurden lebendig. Wanda selbst aber verbeugte sich und sagte nicht ohne Anflug von Humor: »Ein verehrungswürdiges Publikum wird seinerzeit über Inhalt und Titel des näheren verständigt werden.«
    »Bravo! Bravo!«
    Hierauf zog sie sich in der Tat zurück und ging in die Küche, wo sie das Nötigste für die Komödie zu finden hoffte. Die Pittelkow folgte. Bald danach aber erschienen beide wieder in Front der Wohnung, wo man sofort, die nach der Nebenstube führende Flügeltür öffnend, innerhalb eben dieser Türöffnung ein kariertes Plaid auszuspannen und in etwa Manneshöhe zu befestigen begann. Dahinter nahm jetzt Wanda ihren Stand und drückte das Plaid gerade weit genug herunter, um bequem darüber fortsehen zu können. Und nun verkündigte sie: »Judith und Holofernes, Trauerspiel in zwei Akten von Tussauer, ohne Musik. Wir beginnen mit dem ersten Akt« (»sehr gut«... »merkwürdig«) »oder, was dasselbe sagen will, mit der Zeltgasse des Holofernes.«
    Und nach dieser Ankündigung schnellte das Plaid wieder in die Höhe, und an Stelle von Wandas brünettem Gesicht erschien eine weißgekleidete Kartoffelprinzessin mit rotem Turban und rotem Siegellackmund. Natürlich Judith. Diese verneigte

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