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Stine

Stine

Titel: Stine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sich, geschickt dirigiert, vor dem Publikum, sah abwechselnd nach links und rechts, wie wenn sie jemand erwarte, und begann dann in etwas heiserem Ton:
     
    »Er
ist
es, Holofern, der schwergeprüfte Mann,
    Ich seh sein großes Schwert und einen Klunker dran.«
     
    Wirklich zeigte sich in eben diesem Augenblicke von der einen Seite her eine hagere Rotmantelgestalt mit einer Papierkrone:
     
    »Wer bist du, schöne Frau? Wo kommst du hergereist?
    Im Krieg ist mancher Mann manchmalen etwas dreist.«
     
    »Auch im Frieden«, tuschelte Sarastro dem Baron zu. Judith aber fuhr fort:
     
    »Ergebne Dreistigkeit erleid ich sittig gern,
    Ich nenne
Judith
mich und suche
Holofern

    »So bin
ich's
, den du suchst... Wie war ich so allein...«
    »Doch nur durch deine Schuld...« – »Es soll nicht länger sein.«
     
    Und unter einem halb befehlshaberischen, halb vertraulichen Augen- und Fingerwink auf sein Zelt zuschreitend, folgte Judith, während das gleichzeitig im Nebenzimmer erlöschende Licht anzeigte, daß der Vorhang vorläufig falle.
    Der junge Graf wollte Beifall klatschen, der Oheim aber hielt ihn zurück und erklärte, »daß man sein Feuer, auch in solchen Dingen, nicht zu früh verknattern müsse. Dies alles sei nur Vorspiel und stelle viel, viel Intrikateres in Aussicht. Er, für seine Person, sei vor allem neugierig, wie Fräulein Wanda gewisse szenische Schwierigkeiten, so beispielsweise das Konnubium und in zweiter Reihe die Dekapitation, überwinden werde. Freilich bestreite man jetzt das Vorhandensein szenischer Schwierigkeiten, aber alles habe doch seine Grenze.«
    Sarastro würde noch weitergesprochen haben, wenn nicht das sich wieder erhellende Nebenzimmer den Fortgang der Handlung angezeigt hätte. Wirklich erschien im nächsten Augenblicke Judith aufs neue, diesmal, um ihren entscheidenden Monolog zu halten.
     
    »Er sterbe... Muß er's denn? Mir selber ist es leid,
    Er sprach von einem Schmuck und sprach von einem Kleid,
    Allein wer bürgt dafür? Ich weiß, wie Männer sind,
    Ist erst der Sturm vorbei, so dreht sich auch der Wind:
    Er sprach von Frau sogar, allein was ist es wert...?
    Komm denn an meine Brust, geliebtes Racheschwert;
    Er hat es so gewollt – ich fasse seinen Schopf,
    Daß er mich zubegehrt, das kostet ihm den Kopf.«
     
    Und im selben Augenblicke (die Gestalt des Holofernes war inzwischen aus der Tiefe heraufgestiegen) vollzog sich auch schon der Enthauptungsakt, und der Kopf des Holofernes flog, über die Gardine fort, ins andere Zimmer hinein und fiel hier vor Baron Papageno nieder. Alles klatschte dem Stück und mehr noch dem virtuosen Schwerthiebe Beifall, der alte Baron aber nahm den ihm zu Füßen liegenden Kopf auf und sagte: »Wahrhaftig, bloß eine Kartoffel. Kein Holofernes. Und doch war es mir, als ob er lebe. Was eigentlich auch nicht wundernehmen kann. Denn früher oder später ist eine derartige Dekapitation unser aller Los. Irgendeine Judith, die wir ›zubegehren‹ – beiläufig eine herrliche Wortbildung –, entscheidet über uns und tötet uns so oder so.«
    »Lassen Sie's, Baron. Wozu diese schwermütigen Betrachtungen. Ich find es einfach superb. Und glücklich der Dichter, der derlei schaffen konnte. Sie, Fräulein Wanda, nannten vorhin einen Namen, aber vielleicht nur, um von sich persönlich abzulenken... Eigene Schöpfung?«
    »O nein, Herr Graf.«
    »Nun, wenn nicht von Ihnen, meine Gnädigste, von wem denn?«
    »Von einem jungen Freunde.«
    »Will sagen, von einem alten Anbeter.«
    »Nein, Herr Graf, von einem wirklichen jungen Freunde, von einem Studenten.«
    »Das sind wir alle. Was studiert er? Darauf kommt es an.«
    »Ich habe das Wort vergessen, und auf seiner Karte steht es immer nur halb. Und sein Museum ist in der Königgrätzer Straße. Da wollen sie, wenn mir recht ist, herauskriegen, wie die Welt entstanden ist und woraus und wann.«
    »Und vielleicht auch warum? Ein sehr interessantes Studium... Und er dichtet auch?«
    Wanda bejahte, zugleich hinzusetzend, daß es nichts Leichtes gewesen sei, seiner ernsten Richtung in der Kunst ein Stück wie »Judith und Holofernes« abzugewinnen. »Er werde seine Muse nicht entweihen«, seien damals seine Worte gewesen. Aber sie habe, Gott sei Dank, Mittel in Händen gehabt, ihn zu zwingen.
    »Ah, ich verstehe...«
    »Nein, nicht das, Herr Graf. Er ist ein sehr verschämter junger Mann und liest mir bloß seine großen Trauerspiele vor, immer mit einem Vorspiel. Und dabei hofft er auf meine

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