Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stine

Stine

Titel: Stine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
gestellt und schlug mit ihrem Zeigefinger den Takt auf seiner kahlen Kopfstelle.
    Wanda war glücklich und gab immer Neues zum besten, wobei die Pittelkow, die viel Gehör hatte, die zweite Stimme sang, während Sarastro mit seinem Baß und der nach wie vor am Klavier begleitende Papageno mit seinem schadhaft gewordenen Bariton einfielen.
    Nur der junge Graf und Stine schwiegen und wechselten Blicke.
     
Sechstes Kapitel
     
    So verging noch eine Stunde. Dann brach man endlich auf, und Sarastro und Papageno baten mit aller Dringlichkeit um die Ehre, Fräulein Wanda, »damit ihr nichts zustoße«, gemeinschaftlich nach Hause bringen zu dürfen. Der junge Graf schloß sich wohl oder übel an. Die so doppelt und dreifach Gefeierte drang freilich ihrerseits auf Vereinfachung des Verfahrens, immer wieder versichernd, »daß einer genüge«. Sie sah sich aber überstimmt. »Die Verantwortung sei zu groß.«
    Als alle fort waren, nahm die Pittelkow ihre Schwester um die Taille, walzte mit ihr dreimal im Zimmer umher und sagte dann: »So, Stine, nu wird es erst nett. Eine braune Kanne voll hab ich uns gleich noch beiseite gestellt, und ein paar Morgensemmeln sind auch noch da. Die werden nu woll zäh genug sein, aber mit Butter geht es doch, da rutschen sie... Nein, diese Wanda; nich zu glauben. Und eine Stimme, wie 'ne Harfenjule.«
    Stine versuchte zum Guten zu reden und warf der Schwester vor, daß sie, wie gewöhnlich, viel zu streng sei. Zudem verrate sie sich; alles, was sie da sage, sei doch bloß aus Eifersucht. Aber sie brauche gar nicht eifersüchtig zu sein, denn alle drei seien ja mitgegangen, und drei seien immer besser als einer. Die gute Wanda! Nun ja, wenn man wolle, so ließe sich jedem was ans Zeug flicken (ihnen beiden auch), alles in allem aber sei die Grützmacher eigentlich eine nette Person und jedenfalls eine sehr gutmütige.
    »Ja«, sagte Pauline, »das ist sie; man bloß so wichtig und zierig. Und wenn sie sich dann ausgeziert hat, denn ziert sie sich wieder nicht genug und hat so was Johliges und Genierliches.«
    »Du bist heute gut im Zuge«, lachte Stine. »Das also ist Wanda. Und nun sage mir, wie bin ich denn? Aber nein, sag es nur lieber nicht...«
    »Will auch nicht...«
    »Sage mir lieber etwas über die drei. Wie steht es mit dem alten Grafen?«
    »Ein Ekel.«
    »Und mit dem Baron?«
    »Ein Dummbart.«
    »Und mit dem jungen Grafen?«
    »Ein armes, krankes Huhn.«
     
Siebentes Kapitel
     
    Der nächste Tag verging, ohne daß sich die Schwestern auch nur gesehen hätten: die Pittelkow hatte wieder Ordnung zu schaffen, und Stine sollte bis Sonnabend abend noch eine große Rahmenstickerei abliefern.
    Und still und ohne Begegnung wie der erste Tag schien auch der zweite vergehen zu sollen. Niemand kam zu Stine hinauf, und diese – nachdem Olga den Drücker gebracht hatte – wußte nur das eine, daß ihre Schwester Pauline mit beiden Kindern in die Stadt gegangen sei. Langsam schwanden die Stunden, und die niedergehende Sonne hing schon tief zwischen den zwei Türmen des Hamburger Bahnhofs, als ein elegant gekleideter Herr die Invalidenstraße heraufkam und in Nähe des von Stine bewohnten Hauses eine Häusermusterung begann. Es war der junge Graf, der, seinem Sehen und Suchen nach zu schließen, die Pittelkowsche Hausnummer samt ihrem a, b, c vergessen haben mußte, trotzdem aber darauf rechnete, sich in dem Wirrwarr zurechtzufinden. Und sei's nun aus Zufall oder mit Hilfe kleiner Zeichen, er traf es wirklich; und als er gleich danach auf dem ersten Treppenflur »Witwe Pittelkow« las, stieg er, nunmehr sicher geworden, ohne weiteres bis ins dritte Stock hinauf und klingelte. Stine, die die Schwester erwartet haben mochte, kam rasch und öffnete.
    »Gott, Herr Graf.«
    »Ja, Fräulein Stine.«
    »Sie wollen zu meiner Schwester: meine Schwester muß gleich zurückkommen. Ich habe Drücker und Schlüssel und kann Ihnen aufschließen.«
    »Nein, ich will
nicht
zu Ihrer Schwester; ich will zu Ihnen, Fräulein Stine.«
    »Das geht nicht, Herr Graf. Ich bin allein, und ein alleinstehendes Mädchen muß auf sich halten. Sonst gibt es ein Gerede. Die Leute sehen alles.«
    Er lächelte. »Wenn es so ist, Fräulein Stine, dann ist rasches Eintreten immer noch das sicherste.«
    »Nun gut, Herr Graf... Ich bitte...«
    Und damit trat sie von der Korridortür zurück und ging ihm voran, auf ihr Zimmer zu.
     
    Die Polzin hatte, solange das Gespräch dauerte, beobachtend an ihrem Türguckloch gestanden. Im

Weitere Kostenlose Bücher