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Stine

Stine

Titel: Stine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Fürsprache. Damit hab ich ihn in der Gewalt. Freilich, ich muß es sagen, es wird nichts mit ihm. Aber ein guter Junge, der mir alles zuliebe tut.«
    »Glaub ich«, lachte der Baron. »Aber, meine Gnädigste, wer wollt es auch anders? Und nun denk ich, wir machen einen Whist.«
    Ein Spieltisch wurde herbeigeschafft und aufgeklappt, und die drei Herren und Wanda nahmen Platz. Auf ein niedriges Tischchen daneben wurde ein Champagnerkühler gesetzt, und der alte Graf in Person machte den Wirt. Eigentlich trank nur Wanda, trotzdem auch ihr ein Spatenbräu sehr viel lieber gewesen wäre. Stine stand hinter Papagenos Stuhl und mußte die Versicherung mit anhören, »eine reine Jungfrau bringe Glück«. Die Pittelkow machte sich wirtschaftlich zu tun und putzte bereits die Gabeln wieder blank.
    So verging eine gute Weile. Zuletzt aber warf der alte Graf die Karten hin und sagte: »Kommt nichts dabei heraus. Ein Spiel ist eigentlich nur was, wenn es la banque ou la vie geht. Ich glaub, ich habe sieben Mark verloren, und quäle mich nun schon eine Glockenstunde. Wanda, sind Sie bei Stimme? Natürlich; was frag ich noch. Eine Dame wie Sie hat ihre Requisiten immer bei sich. Omnia mea mecum portans...«
    Papageno lachte.
    Der alte Graf aber fuhr fort: »Omnia mea... Welche Perspektive! Auf Ihr Wohl, Wanda. Und auf das Ihre, Fräulein Stine. Pauline braucht unser Wohl nicht, der ist wohl von selbst.«
    »Na, na, Graf. Bloß nich so. Von selbst? Wovon denn? Weiß es Gott, es is auch nich immer 'n Vergnügen.«
    »O vorzüglich, Pauline. Du bist doch die Beste. Stoß an, Kind. Aber nun singen, Wanda.«
    »Ja, wer begleitet?«
    »Natürlich der, der allein begleiten kann: Papageno.«
    »Gut, gut.«
    Und der alte Baron schob einen Stuhl ans Klavier, drehte den kleinen Schlüssel und öffnete. »Was soll es sein?«
    »Nun«, sagte der alte Graf, »
das
wenigstens sind wir dir schuldig, Freund, daß wir mit der Papageno-Arie beginnen. Also: ›Bei Männern, welche Liebe fühlen, fehlt auch ein gutes Herze nicht.‹ Aber freilich, das ist eine Platitüde, das ist selbstverständlich. Erst was folgt, ist das Eigentliche. ›Die süßen Triebe mitzufühlen ist dann des Weibes erste Pflicht.‹«
    Der Baron nickte zustimmend und wiederholte den Schluß: »ist dann des Weibes erste Pflicht«. Wanda aber, die, wie die meisten ihrer Art, an ganz unmotivierten Anstands- und Tugendrückfällen litt, sagte mit einem Male: »Nein, meine Herren, es ist noch zu früh. Ich finde, dies Lied ist schon über der Grenze.«
    Die Herren sahen einander an, weil keiner wußte, was er aus diesem Unsinn machen sollte, die Pittelkow aber, die sich über das »Wandasche Gehabe« ganz aufrichtig ärgerte, fuhr energisch dazwischen und sagte: »Jott, Wanda, bloß keine Geschichten. Jrenze! Wenn einer so was hört! Man is entweder rüber oder man is nich rüber. Un wenn man erst rüber is, und wir sind rüber, dann is es auch ganz egal, ob es Klock zehn is oder Klock elfe. Nein, Wanda, bloß nich zieren. Immer anständig, dafür bin ich, aber zieren kann ich nich leiden.«
    Es schien sich ein Streit entspinnen zu sollen, der, bei dem rücksichtslosen Charakter der Pittelkow, bei der alles immer biegen oder brechen mußte, leicht zu sehr unliebsamen Erörterungen hätte führen können. Niemand wußte das, nach allerpersönlichsten Erfahrungen, besser als der alte Graf selbst. Er sprang also über den Streitpunkt rasch weg und sagte: »Dann bin ich, wenn es die ›Zauberflöte‹ nicht sein kann, für den ›Alten Feldherrn‹. Aber im Kostüm.«
    Das wurde denn auch allerseits freudig aufgenommen, und nach kurzem Rückzug in die Nebenstube trat Wanda wieder ein, rot drapiert und eine Gardinenstange statt des Fahnenstocks in der Hand.
    »Singen, singen!«
    »Ich werde ja«, sagte Wanda, sich vor ihrem Publikum verneigend, »aber was? Der ›Alte Feldherr‹ hat
zwei
Stücke.«
    »Nun denn, das Hauptstück: ›Fordre niemand, mein Schicksal zu hören.‹ Ein wundervolles Lied und ebenso wahr wie ergreifend. Eigentlich könnt es jeder singen, vor allem solche alte Feldherrn wie wir. Nicht wahr, Papageno? Aber nun anfangen. Schnell, schnell.«
    Und im nächsten Augenblick brach es los, und durch alle drei Stockwerke hin, so daß selbst die Polzins oben es hören konnten, klang es in immer erneutem Refrain:
     
    »Ist mir nichts, ist mir gar nichts geblieben
    Als die Ehr und dies alternde Haupt.«
     
    Die Pittelkow hatte sich dabei hinter den Stuhl des alten Grafen

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