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Stine

Stine

Titel: Stine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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will keine guten Worte hören, aber, wenn's sein kann, auch keine bösen. Es genügt mir, einer gewissen Teilnahme sicher zu sein, in der sich dann, aufs letzte hin angesehn, doch immer noch ein Rest von Liebe birgt. Und mir diese Teilnahme zu gewinnen, dazu bedarf ich eines Anwalts. Glauben Sie, daß mein Onkel geneigt sein könnte, dieser Anwalt zu sein? Sie kennen ihn besser als ich. Er gilt für stolz bis zum Hochfahrenden, andrerseits hab ich ihn in Situationen gesehn, die die Kehrseite davon waren. Sie wissen, Baron, welche Situationen ich meine. Und nun sagen Sie mir, was hab ich von dem Onkel zu gewärtigen? Sind Sie der Meinung, daß ich einer heftigen Szene voller Unliebsamkeiten und vielleicht voller Beleidigungen entgegengehe, so verzichte ich von vornherein auf den Versuch, ihn zu meinem Fürsprecher bei meinen Eltern machen zu wollen.«
    Der Baron sah vor sich hin und wirbelte an seinem grauen, etwas mausrigen Schnurrbart. Endlich, als er einsah, daß er wohl oder übel sprechen müsse, warf er sich in den Schaukelstuhl zurück und sagte, während er jetzt ebenso nach der Zimmerdecke hinauf- wie vorher zur Erde niederstarrte: »Lieber Haldern, wer rät, gerät leicht mit hinein. Und ich gerate nicht gern mit hinein; in nichts. Aber Sie wollen meine Meinung, und so muß ich sie geben und meine Vorsicht opfern. Nun denn, es scheint mir unerläßlich, daß Sie mit Ihrem Onkel sprechen.«
    »Ich freue mich dieser Bestätigung meiner eignen Ansicht.«
    »Sie müssen mit ihm sprechen, sag ich, auf alle Fälle, trotzdem ich weiß, daß er ein absolut unberechenbarer Herr ist und sich aus lauter Widersprüchen zusammensetzt oder doch aus Eigenschaften, die danach aussehn. Er steckt, und insoweit liegt die Sache zunächst nicht allzu günstig für Sie, bis über die Ohren in Dünkel und Standesvorurteilen, und doch ist ebensogut möglich, daß er Sie küßt und umarmt und sich vorweg zu Gevatter lädt. Auf Ehr.«
    Waldemar lächelte vor sich hin, aber es war ein Lächeln, das mehr Zweifel als Zustimmung ausdrückte.
    »Ja, Waldemar. Sie lächeln. Und wenn ich Ihren Onkel nach seiner Alltags- und Durchschnittslaune beurteile, so kann ich nur sagen, Sie haben ein Recht zu lächeln. Aber, um es zu wiederholen, er ist auch einer völlig entgegengesetzten Auffassung fähig, und ich hab ihn im Klub und auch sonstwo Dinge sagen hören, daß mir das Blut in den Adern starrte.«
    »Und in Fragen wie diese?«
    »Wie Sie sagen; just in Fragen wie diese. War es vor oder nach dem Kriege, gleichviel, aber es sind noch keine zehn Jahre, daß sich der jüngste Schwilow mit der Duperré verlobte, Balletteuse comme il faut. Sie werden sich ihrer erinnern und damals von der Sache gehört haben. Nun, Waldemar, wenn ich sage, die Duperré hatte, was Ruf angeht, einen Knacks, so sagt das eigentlich gar nichts, denn sie war
ein
Knacks vom Wirbel bis zur Zeh – die Zeh selbst war natürlich ihr Bestes –, und alle Welt war außer sich, und der Klub ballotierte den armen Schwilow, den sie damals Schmilow und ich weiß nicht wie sonst noch nannten, heraus. Lauter schwarze Kugeln. Was aber tat Ihr Herr Onkel? Er gab ihm mit Ostentation eine weiße Kugel. Und als ich ihn auf dem Heimwege nach dem Warum fragte, blieb er vor der Rampe von Prinz Georg stehn, unten wo die Bohlenbretter liegen oder wenigstens damals noch lagen, und perorierte so laut in die Behrenstraße hinein, daß die Schildwache bis an das Eisengitter der Rampe herantrat und hinuntersah, um zu sehn, was es denn eigentlich gäbe. Und was war es, das er sagte? Das wäre der erste vernünftige Schritt, den das Haus Schwilow seit fünfhundert Jahren getan. Einer wäre beim Cremmer-Damm, in der sogenannten ›ersten Hohenzollernschlacht‹, für die neukreierte Nürnbergerei gefallen, was grad auch nicht das gescheiteste gewesen, seitdem aber schweige die Geschichte von ihnen, was ein wahres Glück sei, sie würde sonst nur von Imbéciles und im günstigsten Fall von allerlei Durchschnittsware zu berichten gehabt haben, von öden Mittelmäßigkeiten, die sich mit den umwohnenden Ihlows – die geradeso wie die Schwilows waren – in einem fort versippten und verschwägerten und sich unausgesetzt der Aufgabe hingaben, die sechzehn Ahnen, die sie schon zu Albrecht des Bären Zeiten hatten, auf zweiunddreißig, vierundsechzig und hundertachtundzwanzig zu bringen. Was ihnen denn auch, wie nicht erst versichert zu werden brauche, längst geglückt sei. Denn schon beim

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