Stirb ewig
Friseurbesuch keine Zeit mehr blieb, und sie trug jetzt eine dunkle Kurzhaarperücke. Auf dem Flughafen würde man, wenn überhaupt, nach Ashley Harper suchen. Allenfalls noch nach Alexandra Huron. Lächelnd warf sie einen Blick in ihren Pass, der noch zwei Jahre gültig war. Nach Anne Hampson würde niemand Ausschau halten.
Vic öffnete das Seitenfenster und schrie hinaus: »Bye-bye, Arschloch, schöne Tage auch noch!«
»Vic?«
»Ja?« Er raste die holprige Straße hinunter, die die Stadtverwaltung vergessen zu haben schien. »Was ist los, vermisst du schon Mikeys Schwanz?«
»Soll ich dir was sagen? Er hat einen größeren als du.«
Vic holte aus und schlug ihr ins Gesicht, der Wagen schoss auf den grasbewachsenen Seitenstreifen, zurück auf die Straße, holperte durch ein Schlagloch.
»Macht dich das an?«, fragte sie.
»Blöde Hure.«
Sie kamen an eine Einmündung und bogen nach rechts in ein Neubaugebiet mit frisch gepflanzten Bäumen ab.
»Und du bist ein Schläger. Ein Sadist. Geht dir dabei einer ab? Komm schon, es macht dich geil, wenn du jemanden wie Michael quälen kannst.«
»Und dich macht es geil, wenn er dich bumst.« Er funkelte sie zornig an und bog auf die Hauptstraße ab.
Es ging so schnell, dass sie es kaum wahrnahm. Ein ungeheurer Knall, ein heftiger Ruck, ihre Ohren wurden taub, es roch verbrannt. Und die Hupe ging los.
»Oh, Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Vic hämmerte aufs Lenkrad. Der Fahrerairbag baumelte wie ein benutztes Kondom vor seiner Nase, ein weiterer hing schlaff neben seinem Kopf.
»Alles klar?«, fragte er Ashley.
Sie nickte und schaute auf die Motorhaube, die schräg vor ihr aufragte. Der Mercedesstern war nicht mehr zu sehen. Einige Meter weiter stand ein weißer Saab quer auf der Straße.
Vic wollte aussteigen, doch die Tür klemmte, bis er sich mit aller Gewalt dagegenwarf. Kreischend schwang sie auf.
Ashley schnallte sich ab und stieg zitternd aus, hielt sich die Nase zu und schnaubte kräftig. Eine grauhaarige Frau saß fassungslos am Steuer des Saab, dessen Kühler auf halbe Größe zusammengedrückt war.
Vic untersuchte den Schaden an dem Mietwagen. Ein Vorderrad war verbogen und bis in den Motorraum gedrückt worden. Keine Chance, auch nur einen Meter weiterzufahren.
»Blöde Kuh!«, brüllte er zu dem Saab hinüber.
Ashley sah einen weiteren Pkw und einen Lieferwagen aus der Gegenrichtung kommen. Und einen jungen Mann, der auf sie zu rannte. »Vic«, drängte sie, »wir müssen was tun!«
»Weiß ich selbst. Hast du eine Idee?«
85
IN DER SOKO-ZENTRALE brüllte Nick Nicholas plötzlich: »Roy, Leitung sieben, schnell, gehen Sie ran!«
Grace drückte den Knopf und hob den Hörer. »Roy Grace.«
Mark Tuckwell, ein Detective Sergeant von der Wache in Brighton. »Roy, es geht um den Mercedes, den Sie suchen lassen, blaue Limousine, amtliches Kennzeichen L-J-0-4-P-X-L.«
»Ja?«
»Er wurde soeben in einen Verkehrsunfall in Newhaven verwickelt. Die Insassen, ein Mann und eine Frau, haben ein Fahrzeug entführt.«
Grace richtete sich abrupt auf, sein Adrenalinspiegel schoss in die Höhe. »Geiseln?«
»Nein.«
»Personenbeschreibungen?«
»Wenig hilfreich. Der Mann ist weiß, untersetzt, kurzes Haar, Mitte vierzig, die Frau hat kurzes, dunkles Haar, Ende zwanzig, Anfang dreißig.«
Er griff nach einem Stift. »Der Wagen, den sie genommen haben?«
»Land Rover Freelander, grün, amtliches Kennzeichen W-S-9-6-L-A-Y.«
Grace notierte die Angaben. »Wagen schon gesichtet?«
»Noch nicht.«
»Wie lange ist es genau her?«
»Zehn Minuten.«
Grace überlegte. Zehn Minuten, da konnte man verdammt weit kommen. Er bedankte sich, wies den DS an, die Leitung freizuhalten, und instruierte sein Team. »Nick, Fahrzeugbeschreibung an alle umliegenden Grafschaften – Surrey, Kent, Hampshire. Und an die Londoner Polizei. Schnell!«
Die Straßen, die von Newhaven nach Osten verliefen, führten nach Eastbourne und Hastings. Über die Schnellstraßen im Norden erreichte man rasch die Flughäfen Gatwick und London. Im Westen lag Brighton. Wenn sie den Land Rover behielten, würden sie vermutlich nach Norden fahren. »Bella, Sie fordern den Hubschrauber an. Er soll die Straßen nördlich von Newhaven auf einer Länge von fünfundzwanzig Kilometern absuchen.«
»In Ordnung.«
»Danach lassen Sie sämtliche Überwachungskameras der großen Bahnhöfe checken, falls sie in den Zug umsteigen sollten.«
Er trank einen Schluck Wasser. »Emma-Jane,
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