Stirb ewig
Passwort?«
Branson sah ihn flüchtig an. »Es gibt kein Passwort. Die meisten Leute meinen, sie müssten etwas eintippen, wenn so ein Fenster aufgeht. Aber wozu braucht er ein Passwort, wenn nur er den PC nutzt?«
»Hut ab, du bist der geborene Hacker.«
Branson ignorierte die Bemerkung. »Ich möchte, dass du dir das hier mal näher ansiehst.«
Grace gehorchte und setzte sich vor den Bildschirm.
15
NUR WENIGE KILOMETER ENTFERNT hockte Mark Warren ebenfalls vor seinem Computer. Die Uhr auf dem Flachbildschirm zeigte zehn nach sechs. Er hatte die Hemdärmel aufgerollt und neben sich einen vergessenen Cappuccino von Starbucks, dessen Milchschaum sich in eine runzlige Haut verwandelt hatte. Sein gewöhnlich aufgeräumter Schreibtisch in dem Büro, das er seit fünf Jahren mit Michael teilte, ertrank in Papierstapeln.
Double-M Properties befand sich im dritten Geschoss eines schmalen, fünfstöckigen Stadthauses im Regency-Stil, das nicht weit vom Bahnhof entfernt war. Ihr erstes gemeinsames Renovierungsprojekt. Neben dem Büro gab es ein Besprechungszimmer für Kunden, einen kleinen Empfangsbereich und eine Küchenzeile. Alles war modern und funktionell gehalten. An den Wänden hingen Fotos der drei Rennjachten, die ihnen gemeinsam gehörten und an denen ihr wachsender geschäftlicher Erfolg abzulesen war – zuerst hatten sie die Nicholson 27 gekauft, dann die ansehnlichere Contessa 33 und zuletzt die eindeutig hochklassige Oyster 42, ihr gegenwärtiges Spielzeug.
Dazu gab es Fotos von ihren Bauprojekten. Das Lagerhaus am Hafen von Shoreham, das sie zu sechzehn Wohnungen umgebaut hatten. Ein altes Regency-Hotel mit Seeblick in Kemp Town, aus dem sie zehn Wohneinheiten gemacht hatten. Auch die ehemaligen Stallungen wurden genutzt. Und ihr jüngstes und ehrgeizigstes Projekt in Gestalt einer künstlerischen Zeichnung, auf der ein Waldgebiet zu sehen war, in dem sie laut Baugenehmigung zwanzig Häuser errichten durften.
Marks Augen schmerzten nach zwei schlaflosen Nächten. Er sah aus dem Fenster, um ihnen einen Moment Ruhe zu gönnen. Gegenüber befanden sich eine Spielhalle und ein Teppichdiscounter. An sonnigen Tagen konnte man sich die hübschen Mädchen auf der Straße ansehen, doch im Augenblick prasselte der Regen nieder, die Leuten eilten unter Schirmen oder in Regenmänteln mit hochgestellten Kragen vorbei, die Hände in den Taschen vergraben. Mark wollte auch an gar nichts anderes als die anstehende Aufgabe denken.
Alle paar Minuten wählte er Michaels Handynummer, schon den ganzen Tag über, und jedes Mal sprang sofort die Mailbox an. Was bedeutete, dass das Handy entweder ausgeschaltet, der Akku leer oder Michael noch immer dort unten war. Niemand hatte von ihm gehört. Zog man den Unfallzeitpunkt in Betracht, hatten sie ihn vorgestern Abend irgendwann vor neun Uhr begraben. Vor etwa fünfundvierzig Stunden.
Es klingelte auf der Hauptleitung. Mark hörte das gedämpfte Trillern und sah, wie das Licht für seine Durchwahl blinkte. Er ging ran, wobei er versuchte, das nervöse Zittern in seiner Stimme zu verbergen.
»Double-M Properties.«
Eine Männerstimme. »Hallo, ich rufe wegen des Bauprojekts im Ashdown Forest an. Haben Sie eine Broschüre oder Preisliste?«
»Leider noch nicht, Sir, das wird noch ein paar Wochen dauern. Auf unserer Webseite gibt es einige Informationen – ach, die haben Sie schon gesehen. Sie können gern Ihren Namen hinterlassen, wir melden uns wieder bei Ihnen.«
Normalerweise hätte er sich über eine so frühe Anfrage gefreut, aber im Moment stand ihm nicht der Sinn nach Geschäften.
Vor allem durfte er nicht in Panik geraten. Er hatte genügend Krimis gelesen und gesehen, um zu wissen, dass die Jungs geschnappt wurden, sobald sie in Panik gerieten. Man musste Ruhe bewahren.
Die E-Mails löschen.
Eingang. Ablage. Papierkorb. Alle übrigen Ordner.
Natürlich konnte man die Mails nicht völlig eliminieren, sie waren irgendwo im Cyberspace gespeichert, aber wer würde sich schon so viel Mühe bei der Suche geben?
Er tippte ein Schlüsselwort nach dem anderen ein und führte eine detaillierte Suche durch. Michael. Junggesellenabend. Josh. Pete. Robbo. Luke. Ashley. Pläne! Operation Vergeltung! Er prüfte jede Mail, löschte, was gelöscht werden musste. Ging kein Risiko ein.
Josh lag auf der Intensivstation, sein Zustand war kritisch, er hatte allem Anschein nach schwere Hirnschäden erlitten. Würde vermutlich nur noch dahinvegetieren, falls er
Weitere Kostenlose Bücher