Stirb ewig
können.
Obwohl die meisten Monitore ausgeschaltet waren, wirkten die Schreibtische alles andere als aufgeräumt. Die Arbeitsplätze, die durch Trennwände abgeteilt waren, sahen aus, als hätten sich die Besitzer eilig davongemacht und würden jeden Moment zurückkehren.
Nur zwei Kollegen waren noch bei der Arbeit: DC Nick Nicholas, Ende zwanzig, lang und dünn wie eine Bohnenstange, ein leidenschaftlicher Ermittler und schneller Fußballstürmer, und DS Bella Moy, fünfunddreißig, mit fröhlichem Gesicht unter wirrem, braunem Haarschopf.
Sie grüßten ihn nicht. Er ging an Nick Nicholas vorbei, der konzentriert die Lippen schürzte wie ein Kind bei der Klassenarbeit, während er mit Kugelschreiber in Blockschrift einen Vordruck ausfüllte. Bella starrte gebannt auf den Bildschirm, wobei sie mit der linken Hand wie unter Zwang in eine Malteser-Tüte griff und die süßen Kugeln zum Mund führte. Sie war schlank, obwohl Glenn Branson noch nie einen Menschen erlebt hatte, der so viel essen konnte.
Er setzte sich an seinen Platz. Die Lampe, die eingegangene Nachrichten anzeigte, blinkte wie üblich. Aus dem Bilderrahmen auf dem Tisch lächelten ihn seine Frau Ari, sein achtjähriger Sohn Sammy und die dreijährige Remi an.
Er sah auf die Uhr. Ari würde ausflippen, wenn er wieder zu spät kam und sie den Anfang ihres Kurses verpasste. Außerdem war es kein Opfer, da ihm sehr viel daran lag, Zeit mit seinen Kindern zu verbringen. Da piepte das Telefon.
Der Empfang. Eine Frau warte seit einer Stunde auf ihn und wolle einfach nicht gehen. Ob er kurz mit ihr sprechen könne? Alle anderen seien beschäftigt.
»Ich etwa nicht?«, fragte Glenn in gereiztem Ton. »Was will sie denn?«
»Es hat mit dem Unfall vom Dienstag zu tun – der vermisste Bräutigam.«
Sofort wurde er freundlicher. »Gut, ich komme runter.«
Trotz ihres bleichen Gesichts sah Ashley Harper in natura genauso schön aus wie auf dem Foto, das er in Michael Harrisons Wohnung entdeckt hatte. Sie trug eine Designerjeans mit poppiger Gürtelschnalle und eine teure Handtasche. Er führte sie in ein Verhörzimmer, besorgte Kaffee, schloss die Tür und setzte sich ihr gegenüber. Der Raum war klein und fensterlos wie alle Verhörzimmer, die Wände in einem öden Erbsengrün gestrichen, dazu ein brauner Teppich, graue Metallstühle mit passendem Tisch. Es stank nach abgestandenem Rauch.
Sie stellte die Handtasche auf den Boden. Wunderschöne graue Augen mit zerlaufener Wimperntusche, die ihn aus einem blassen, traurigen Gesicht anschauten. Ein paar Haarsträhnen rutschten ihr ins Gesicht, der Rest fiel glatt auf die Schultern. Ihre Nägel waren perfekt gepflegt, als käme sie gerade von der Maniküre. Sie sah makellos aus, was ihn ein wenig überraschte. Leute in ihrem Zustand achteten gewöhnlich nicht auf ihr Äußeres, sie aber war tadellos gekleidet.
Andererseits wusste er, wie schwer es war, Frauen zu verstehen. Als er und Ari eine schwierige Zeit durchmachten, hatte sie ihm das Buch Mars sucht Venus. Venus sucht Mars zu lesen gegeben. Es hatte ihm ein wenig (wenn auch nicht richtig) geholfen, die Kluft zwischen Männern und Frauen zu begreifen.
»Sie sind schwer zu erwischen«, sagte sie und strich sich die Haare schwungvoll aus dem Gesicht. »Ich habe vier Nachrichten hinterlassen.«
»Tut mir Leid. Zwei Leute aus meinem Team sind krank, zwei andere in Urlaub. Ich kann verstehen, wie Sie sich fühlen.«
»Tatsächlich? Können Sie das wirklich? Ich wollte am Samstag heiraten, und mein Verlobter ist seit Dienstag verschwunden. Mit der Kirche ist alles abgesprochen, meine Schneiderin kommt zur Anprobe, zweihundert Gäste sind eingeladen, die Hochzeitsgeschenke rollen an. Und Sie können verstehen, wie ich mich fühle?«
Tränen rollten über ihre Wangen. Sie schniefte und zog ein Taschentuch hervor.
»Es tut mir wirklich Leid. Ich bearbeite seit heute Morgen das Verschwinden Ihres Verlobten.«
»Und?« Sie betupfte sich die Augen.
Er umschloss seinen Kaffeebecher, der noch abkühlen musste, mit den Händen. »Leider kann ich noch nichts Neues berichten.« Was nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber er wollte erst hören, was sie zu sagen hatte.
»Was machen Sie eigentlich genau?«
»Wie ich Ihnen heute Morgen bereits erklärte, ist das gewöhnliche Verfahren, wenn jemand vermisst wird – «
Sie fiel ihm ins Wort. »Ich will nicht wissen, was gewöhnlich passiert. Michael wird seit Dienstagabend vermisst. Wenn wir nicht zusammen sind,
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