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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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dir – ich darf doch Du sagen? – völlig egal, ob du fünf, sechs oder weiß der Kuckuck wie viele Leute auf dem Gewissen hast, aber zu deiner Information: Es sind fünf. Vier Mädchen, ein Junge. Und dreimal versuchter Mord. Dr. Androsch lebt übrigens. Die Chance, so viele Tage zu überleben, liegt ungefähr bei eins zu hundert, sagt der Arzt. Wobei, überleben … Der Mann liegt im Koma. Und wird nie mehr der, der er war. – Interessiert dich nicht, oder?«
    Ehrlich gesagt, nicht.
    »Warum hast du das gemacht? Er und die Mädchen und der Junge. Was um alles in der Welt haben sie dir getan?«
    Das versteht so jemand wie du nicht. In deiner Welt ist das verrückt. Wahnsinn. Pervers. In meiner war es Notwehr. Reine Notwehr. Ich musste sie auslöschen, weil sie mich ausgelöscht haben. Erst Joachim mit seinem Nein. Nein, ich liebe dich nicht. Ich will dich nicht. Wie konnte er so was sagen? Die anderen hat er doch auch geliebt. Die mit ihren Titten und Ärschen und allem. Und die haben mich auch ausgelöscht. Unsichtbar gemacht. Da musste ich doch was tun. Da musste ich mich doch wehren. Ich habe die Welt wieder in Ordnung gebracht.
    »Du willst also nichts sagen? Dein gutes Recht. Aber ich verstehe nicht, warum du nichts abstreitest, uns aber trotzdem nicht verraten willst, warum du das alles getan hast.«
    Er hat gesagt, dass er mir gegenüber eine Verantwortung hätte. Joachim. Dass er zu mir als seiner Patientin keine Beziehung eingehen könnte. Keine Liebesbeziehung. Er hat mich gefragt, ob ich überhaupt wüsste, was das ist: eine Liebesbeziehung. Vielleicht weiß ich es wirklich nicht. Ich weiß aber, dass etwas fehlt. Dass etwas wehtut. Immer schon wehgetan hat. Er hat den alten Schmerz wieder geweckt, und er hat nichts getan, um ihn zu heilen. Er hat mich damit alleingelassen. Und bestimmt nicht aus Verantwortungsgefühl. Die anderen hat er ja auch nicht abgewiesen. Die Schlampen. Aber ich war ja keine Schlampe. Ich war für ihn nicht mal ein Mädchen. Kein richtiges Mädchen, zumindest. So, wie ich für Gottvater kein richtiger Junge war. Kein Tristan, an dem er sich hätte aufgeilen und vergreifen können. Nicht Fisch und nicht Fleisch.
    Meine Alten wissen genau, warum ich getan habe, was ich getan habe. Joachim weiß es auch. Das genügt völlig. Der Rest der Welt geht mir am Arsch vorbei.
    Und jetzt?
    Wir sitzen da, die beiden Bullen sehen mir zu, wie ich meine Zigarette zu Ende rauche, sie im Aschenbecher ausdrücke und mir gleich die nächste anzünde. Der zweite Bulle, der noch nichts gesagt hat, geht zum Fenster und stellt es auf Kippe.
    »Du solltest reden, Mareike.« Falterer. »Nicht mit uns, das ist okay. Aber mit einem Psychologen. Jemandem, der keinen Fall aufklären muss, sondern dir helfen will.«
    Scheiß auf die Psychologen. Lieber würde ich noch mit dir reden, Falterer. Aber auch das werde ich nicht tun. Soll die Welt von mir halten, was sie will. Ist mir scheißegal.
    Hinter mir geht die Tür auf. Jemand kommt herein. Ich drehe mich nicht um. Aber die Bullen sehen nicht so aus, als würde der Besuch sie erfreuen.
    »Ilona. Ich weiß nicht, ob das …«
    »Nur fünf Minuten.«
    »Hältst du das wirklich für eine gute Idee?«
    »Ich tu ihr schon nichts.«
    Ach, sie ist es. Saschas Alte.
    Falterer und der Typ, der nicht spricht – ich mag ihn irgendwie –, tauschen einen Blick, dann steht Falterer auf und geht Richtung Tür. Der andere folgt ihm. »Fünf Minuten, nicht mehr«, sagt Falterer. Drei Sekunden später sind sie beide draußen.
    Erst jetzt kommt Saschas Alte in mein Gesichtsfeld. Sie nimmt mir die Zigarette aus dem Mundwinkel und drückt sie aus. »Dafür bist du noch viel zu jung.«
    Ich weiß schon, Alte, am liebsten würdest du nicht diese Zigarette zerdrücken, sondern mich. Oder mir den Hals umdrehen.
    »Tut’s noch weh?« Sie deutet auf das große Pflaster an meiner Stirn.
    Es tut noch weh, aber ich schüttle den Kopf. Ich bin Schmerz gewöhnt.
    Sie setzt sich auf die Tischkante. Ist mir ganz nah. Ich kann ihr Parfüm riechen. Nichts Teures. Wie alt wird sie sein? Ein bisschen jünger als meine Alte, aber nicht viel. Kaum zu glauben. Die hier ist das blühende Leben, meine der reinste Zombie.
    »Keine Sorge, ich werde dich nicht vernehmen. Mir ist völlig egal, warum du all das getan hast. Völlig egal, wirklich. Ist auch gar nicht mehr mein Fall, seit du Sascha da reingezogen hast. Ich will dir nur eines sagen: Du wolltest meinen Sohn töten, und da hört für mich

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