Stoerfall in Reaktor 1
Lukas sich in den schmalen Gang drückt, schlägt ihm kühle Luft entgegen. Fröstelnd zieht er die Schultern hoch. Er steigt über zwei oder drei Metallschwellen, die so aussehen, als sollten hier noch irgendwelche Schleusenkammern entstehen. Von der Decke hängt ein buntes Wirrwarr an Kabeln, aber es gibt schon Licht, lange Leuchtstoffröhren verbreiten eine grauweià blendende Helligkeit, die alle Konturen verschwimmen lässt.
Nach der letzten Schwelle zweigen links und rechts Lagerräume ab, in Stahlregalen stapeln sich bereits bis zur Decke hinauf unzählige Konservendosen und GroÃpackungen mit Reis, Nudeln, Kartoffelpüree, Marmelade, Kaffee und Tee, es gibt sogar ein Weinregal. Im nächsten Raum steht eine Kühltruhe, die noch nicht in Betrieb ist, aber mit Sicherheit genug Platz für ein oder zwei zerlegte Kühe oder Schweine bietet. Lukas fragt sich nur, wie sie das eigentlich machen wollen, wenn der Super- GAU dann doch noch auf sich warten lässt und sie ständig auf die Verfallsdaten auf den Lebensmitteln achten müssen, damit sie den ganzen Kram nicht irgendwann nur noch wegwerfen können â¦
Gedämpft hört er jetzt Stimmen, ziemlich eindeutig die von Jannik und Alex â Alexâ Stimme klingt immer so, als wäre er völlig auÃer Atem und gleichzeitig irgendwie unter Druck, kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Auch jetzt scheint Jannik gerade dabei zu sein, Alex zu beruhigen. Lukas weià nicht genau, warum er sich plötzlich bemüht, kein Geräusch zu machen, sondern stattdessen den Gang entlangschleicht, als wolle er unbedingt vermeiden, dass ihn seine beiden Freunde bemerken. Er kommt sich dabei selbst albern vor, ein bisschen wie früher, wenn sie im Wald Cowboy und Indianer gespielt und sich an das feindliche Lager angeschlichen haben.
Lukas sieht jetzt eine vollständig eingerichtete Küche, rechts ein Badezimmer, dann zwei Schlafräume mit je zwei doppelstöckigen Betten von Ikea, dann so was wie einen Wohnraum, der aber noch nicht fertig eingerichtet ist. Ãberall stapeln sich hier Umzugskartons, an der Seite steht eine halb aufgebaute Schrankwand, natürlich auch von Ikea, Lukas erkennt die Aufbauanleitung und die Plastiktüten mit den Schrauben auf dem Boden. Der Raum ist groÃ, mindestens zwanzig Quadratmeter.
Er bleibt im Türrahmen stehen. Jannik hockt mit dem Rücken zu ihm auf einem Karton. Davor läuft Alex auf und ab, immer fünf Schritte hin und fünf Schritte zurück, den Blick auf den Boden gerichtet, während er seine üblichen Stakkato-Sätze abfeuert: »Ey, laber nicht, Alter, das ist voll daneben, wenn mein Alter rauskriegt, dass ich damit was zu tun habe, kann ich meine Sachen packen! Der schickt mich auf irgendein Internat oder so was, der ist sowieso schon auf hundertachtzig, weil ihm die Presse im Nacken sitzt, irgend so ein neuer Typ von der Kreiszeitung, der sich nicht abwimmeln lässt, war sogar vorhin bei uns zu Hause, am Sonntag, echt, das musst du dir mal vorstellen! Aber mein Alter hat ihn achtkantig wieder rausgeschmissen, und voll zu Recht, du, ich meine, diese Typen machen alles für irgendeine Schlagzeile, das weià ja jeder, die biegen sich das so zurecht, wie sie es brauchen, aber das geht nicht, dass da irgendwelche Typen einfach was zusammenschmieren â¦Â«
»He, auf welcher Seite stehst du eigentlich?«, unterbricht ihn Jannik. »Ich meine nur, wenn du dich selber hören könntest â das klingt gerade so, als wolltest du deinen Vater auch noch verteidigen! Mann, raffst du es eigentlich noch? Da läuft irgendwas verdammt schief gerade, ich habâs dir doch erzählt. Wenn das stimmt, was Lukas sagt, dann haben die da vielleicht echt einen Störfall gehabt, und dein Vater hängt da mit drin, oder was glaubst du, warum er sich sonst nachts mit dem Direktor vom AKW trifft? Lukas und ich haben seine fette Karre gesehen, als wir am Rathaus vorbei sind, und du hast selbst gesagt, dass da noch mehr Leute im Büro waren!«
Axel hält abrupt an. »Lukas, ja? Hast du eben Lukas gesagt? Ich höre immer nur Lukas! Klar, ich weià ja, dass du Lukas für den GröÃten hältst, und was Lukas sagt, stimmt immer, schon kapiert. Aber dann sag mir doch mal, wo Lukas ist? Und warum du keine Ahnung hast, was er eigentlich seit vorgestern Nacht gemacht hat? Vielleicht steht er auch nur darauf, hier mal ein bisschen
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