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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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dich, wem ist die Chance in die eigenen Hände gelegt? Greif zu, halt fest!«
»Ich werde Kogols Mythos auslöschen.«
»Du willst tatsächlich Millionen Menschen den Glauben nehmen? Menschen brauchen ein Idol. Sie selber sind unvollkommen.« Simak packte seine Schulter, als wollte er ihn vor einem Sturz bewahren.
Gould riß sich los. »Ich habe begriffen, wer du bist: ein Scharlatan! Du wirst fallen, zusammen mit Kogol.«
Mit einer blitzschnellen Bewegung kippte Simak den Hebel der Havarieautomatik herunter. Die Einstiegluken klappten auf. Pfeifend entwich die Luft aus der Kabine. Die Helmsichtscheiben schnellten in die Fassung. Der Rover schleuderte.
Im Fallen vernahm Gould Simaks Schrei. Oder war es sein eigener? Die Gurte! Simak hatte die Sicherung der Gurte gelöst.
Der Aufprall im Schnee war nicht sehr schmerzhaft. Doch für Augenblicke nahm er ihm den Atem. Als er sich aufraffte, war von dem Fahrzeug nichts mehr zu sehen, sosehr er sich auch anstrengte, wenigstens einen Schatten zu entdecken. Sein Blick verlor sich in der Stille der Plutoebene. Hunderte von Kilometern nichts als die Reinheit gefrorener Gase, Leere und noch einmal Leere. Er blinzelte hoch in das Funkeln der Sterne. Die Erde suchte er nicht. Warum? fragte er sich matt und verwirrte sich an der Vervielfachung dieses Worts.
Bis zur Station reichte weder sein Sauerstoff noch die Leistung des Funkgeräts. Nicht eigentlich bitter lächelte er. Ein Weg stand ihm offen. Zurück. Er gehörte zu den Plutoniern.
Die Füße beschrieben einen Halbkreis.
Seine Augen musterten die Silhouette des Gebirges, aus dem sie gekommen waren. Über die fernen, vorgelagerten Hügel jagte ein Schatten. Gleich hatte er die Steigung überwunden. Triumphierend erhob er sich auf dem Kamm.
Gould riß den Strahler hoch und schoß. Ein Schleier stieg auf. Er nahm den Krampf in seiner Hand nicht wahr. Er vergaß den Schmerz in seinem Denken.
Als die Wolken aus Ammoniak- und Methandämpfen sich gesetzt hatten, stand der Rover noch immer am gleichen Fleck.
Ohne Hast machte er sich auf den Weg.

Die bessere Welt
    Weder von Neugier noch von Verlangen gedrängt, bewegte sich Grünspan auf den Ausgang zu. In einem Zustand zwischen Wachsein und Träumen verharrte er in der Desinfektionsschleuse, bewegte sich, nicht hörend, nicht sehend, somnambul in der Menge der anderen Reisenden. Selbst die beschämende Frage, ob er denn in all den Jahren nicht die Erde vermißt hatte, befreite ihn nicht von der Lethargie. Wie ein toter Fisch trieb er in der Strömung der Passagiere vorwärts. Hatte ihn nicht noch vor wenigen Tagen helle Freude beflügelt? Er versuchte sich zu erinnern! Das Gespräch der beiden Außerirdischen. Deshalb? fragte er sich. Das wäre nicht ich. Das widerspräche zehn Jahren meines Lebens.
    Die Worte des Würmers waren ja nichts als Diffamierung, plump dazu, bestimmt für einen, der die Menschen ebensowenig kannte, was allein der Fakt bewies, daß sie seine Herkunft nicht errieten. Er kicherte verhalten und gedachte erstmals dankbar des Geschicks, das seiner Haut ihr Grün bescherte; eine Folge seiner Tätigkeit im All. Er sah um sich und bemerkte darin die fatale Absicht, nicht als Mensch zu gelten. Unsinn, sagte er sich, weit und breit ist kein Würmer und kein Beutler zu sehen. Eine Fremdheitsneurose; aber ich bin doch daheim. Es ist die Wiedersehensspannung, die die Freude scheinbar verkehrt.
    Ermutigt zog sein Blick weitere Kreise, und er nahm wieder den eigenen Schritt wahr, der ihn vorwärtstrug.
Eine abenteuerliche Schar zwängte sich durch das Schleusennadelöhr des Interstellarliners. Ausgeburten eines Schöpfers, der dem Meister Hieronymus B. im Geist verwandt sein mußte.
Klauenhände ließen ihn flüchtige Rauheit spüren. Chitinpanzer schabten an seiner Seite. Das Odeur tausendundeiner Lichtnacht umschwebte ihn. Gerüche, so unmittelbar wie eine Berührung.
In diesem Augenblick empfand er eine Scheu davor, wie selbst bei seinen allerersten Begegnungen mit Außerirdischen nicht. Denn während der Jahre, die er unter ihnen weilte, war er niemals in seinen menschlichen Grundfesten erschüttert worden, niemals war ihm ein Anlaß begegnet, an sich und seiner Herkunft zu zweifeln. War man sich nicht als Verhandlungspartner immer ehrlich, auf der Basis gegenseitigen Vorteils, entgegengetreten? Dieses Prinzip schuf Vertrautheit zwischen Mensch und nichtanthropomorpher Intelligenz. Er fühlte sich als Gleicher unter Gleichen. Und hatte nicht zuletzt die Mission, die

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