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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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bitten. Penser dankte mit einer Geste, die wenig Übung, wohl auch Verlegenheit verriet. Doch gleich darauf rief er mit kindlicher Unbefangenheit: »Das Wetter ist schuld, daß unsere Bekanntschaft weniger flüchtig bleibt. Glauben Sie an eine Vorsehung?«
Grünspan verneinte.
»Ich schon«, sagte Penser. »Allein mein Vorname…!« Anscheinend unbekümmert fuhr er fort: »Ja, das Wetter! Bedenken Sie, wie oft das Wetter die Geschichte beeinflußt hat. Im Nebel entkam Napoleon nach seiner Flucht aus Ägypten Nelson. Wieviel wäre Europa erspart geblieben, hätte es der General nicht bis zum Kaiser gebracht. Von der Sintflut wollen wir nicht reden. Der biblischen Mythologie fehlte ein ganzes Kapitel. Ich kenne keinen Planeten, der solcher Geschichten entbehrte.«
Die Beschleunigung drückte sie in die Polster. Doch das Fahrgeräusch war nicht einmal laut genug, daß Grünspan die Stimme heben mußte.
»Sie sind Reisender? Vertreten Sie einen Artikel, Herr Kollege?«
»Einen Artikel?« Penser musterte ihn streng. Aber dann hatte es den Anschein, als verstecke sich ein Lächeln unter seinem Schnurrbart. »Nun, vielleicht kann man es so bezeichnen, einen nichtverkäuflichen Artikel. Seitdem ich meine Nase nicht mehr in Dinge stecke, die mich nichts angehen, reise ich mit der Absicht umher, eine gerechte Welt zu finden, eine Zivilisation, die ihren Individuen gerecht wird. Sie verstehen, was ich meine?«
»Nein«, gab Grünspan zu. »Ich denke, Sie reisen zu Ihrem Vergnügen. Einer Tätigkeit gehen Sie nicht nach?«
»Das ist eine Tätigkeit!« Rief Penser. Aber er schien nicht ernsthaft empört zu sein. »Sie ist amtlich registriert un4 anerkannt. Ich beziehe ein Gehalt und rechne Reisekosten ab. Ich bin kosmisch akkreditiert!«
Grünspan gab es schnell auf, seine Empfindungen zu definieren. Sie waren sehr verworren. Teils war er versucht, wie über einen Witz zu lachen, teils spürte er eine ernsthafte Vertrautheit. Zu Penser? Zu seiner Darstellung? Zur Atmosphäre zwischen ihnen? Er wußte es nicht. Er nahm nicht an, daß Penser flunkerte. Wem nützte eine solch dubiose Tätigkeit? Brachte sie praktische Ergebnisse? Diente sie einer Grundlagenforschung?
Mit höflichster Zurückhaltung stellte er seine Fragen. Die Antworten kamen sehr freimütig, gewissermaßen überlegen amüsiert.
Penser gab zu, ihn trieben einzig und allein moralische Motive. Ergebnisse in irgendeiner Form gäbe es keine. Vor Jahren hätte er den Antrag um Erlaubnis zu dieser Tätigkeit gestellt. Sie wurde anstandslos genehmigt, als sozial eingestuft und dotiert. Seitdem reise er, allerdings ohne Erfolg.
»Und das stellt Sie zufrieden?« fragte Grünspan nun herausfordernd.
»Ich gebe die Hoffnung nicht, auf«, antwortete Penser. »Die Welten, die ich kennenlernte, sind gewissermaßen Studienobjekte, deren Untersuchung Befriedigung verschafft. So erwerbe ich mir die Fähigkeit und die Erfahrung, die Welt, die ich suche, auch wirklich zu erkennen.«
Die Auskunft befriedigte Grünspan nicht, und sie schien auch Penser nicht zu genügen. Er machte den Eindruck eines mit sich zerstrittenen Menschen. Gestik und Mimik standen in unruhvollem Kontrast. Aber er äußerte nichts weiter.
»Ja, aber«, rief Grünspan nun doch mit unverhohlenem Unverständnis, »wem nützt das alles?«
Penser lebte auf. »Mir«, beteuerte er, »und wenn wir Gelegenheit hätten, auch Ihnen. Sollten wir uns einmal wiederbegegnen, werde ich Ihnen Dinge zu berichten wissen…«
»Ja, mir und Ihnen!« rief Grünspan wiederum. »Uns trennen Welten und Äonen! Meine Tätigkeit – in aller Bescheidenheit – nützte Millionen, was sage ich, Milliarden. Mein bescheidenes Verdienst ist es, herausgefunden zu haben, daß nirgends im Universum und zu keiner Zeit der Sonnenschirm erfunden wurde. Solchermaßen sind wir einzig im Kosmos! Was aber tragen Sie an Einzigartigkeit ins All? Welche Einsicht bringen Sie von dort mit? Die Welt, die keinen Sonnenschirm benötigt, hieße ich ideal. Ich habe sie nicht angetroffen. Ihre Suche, Verehrtester, ist eine Illusion. Geben Sie sie auf. Konzentrieren Sie sich auf die Erde. Man muß selbst Bedingungen schaffen! Während sich andere Populationen mühevoll evolutionierten und sich mehr schlecht als recht heißesten Doppelsonnen und dergleichen anpaßten, schufen wir uns angenehmere Bedingungen. Wir erfanden den Sonnenschirm! Hier lebt das Volk, das sich selbst gerecht wird. Nicht schlechthin ein Stück Gewebe und ein Stiel ist so ein Sonnenschirm. Er

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