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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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erst fühlte er sich angekommen. Doch die Stadt empfing ihn mit der Gleichgültigkeit der Weltmetropole, deren eigene Wichtigkeit die Ankunft eines beliebigen Menschen ignoriert. Niemand erkannte ihn.
Und doch erfüllte ihn ungebrochener Stolz, für diese Menschen tätig gewesen zu sein, wenn auch mittelbar. Aufträge in Milliardenhöhe. Jawohl, der Sonnenschirm trat seinen Siegeszug durchs Weltall an, eine Idee! Aufs engste verband sich dieser Erfolg mit seiner Sendung als Mensch.
Auf dem Planeten Lumini lebte eine Rasse Pilzähnlicher. Das Zentralgestirn, ein sterbender rötlicher Riese, stand als Stern neunzehnter Größe am luministischen Himmel. Wenn man es allerdings recht besah, so brauchten die Luminianer keine Sonne. Sie waren selbstleuchtend. Mengenmäßig war der Abschluß nicht sein höchster gewesen. Dafür aber schlug das ausgeprägte ästhetische Empfinden der dortigen Spezies zu Buche. Die Ausführung der Lieferung wurde in golddurchwirkter Seide, Ebenholzimitation nach antikem Muster sowie platiniertem Fuß in Greifklaue vereinbart.
    Dem Beispiel des Obersten Lumich folgend, bestellte jede luministische Familie einen. Möglicherweise spielte dabei ein Hang zum Narzißmus eine Rolle. Die Hintergründe zu beurteilen, sah sich Grünspan jedoch nicht befugt. Die Genugtuung, diesen sozusagen heidnischen Seelen den Sinn für die Erquicklichkeiten der Zivilisation geöffnet zu haben, erhob ihn über jede kleinliche Erwägerei.
    In das Hochgefühl seiner Ankunft mischte sich Bitternis. Erfolgbeladen heimgekehrt, nahm ihn niemand wahr als ein subalterner Zöllner. Durfte er nicht – in aller Bescheidenheit – mehr erwarten? Ich will nicht maßlos sein, dachte er resigniert. Doch die Vorstellung, den höchsten Punkt des Lebens hinter sich zu haben und für immer unerkannt davonzugehen, bedrängte ihn. Was machte dieses Leben aus? Er blickte in gleichgültige Gesichter. Er ließ sich treiben im Strom gleichmütiger Menschen. Sie beachteten nicht einmal seine Grünheit. Keine Absonderlichkeit konnte sie offenbar mehr aufschrecken, keine Katastrophe ihre Sicherheit verkehren. Sie erschienen ihm stolz und fest in sich gefügt. Er beneidete sie. Aber so wenig er um die Herkunft ihres Stolzes, ihres Gleichmutes wußte, so wenig wußten sie um das Grün seiner Haut. Was erhoffte er? Waren ihm kosmische Ehren nicht genug?
    Bewegt gedachte er der Dankesworte Krunks, dessen Volk unter einer überheißen Doppelsonne litt. Glücklich leuchtende Hautfalten, gerührt schillernde Sensoren, zärtlich sein Gesicht abtastende Fühler; Auszeichnung genug für den Rest seines Lebens. Wahrhaftig, Hunderten fremder Rassen hatte sein Wirken Erleichterung verschafft, ihrem Dasein Harmonie. Was aber hatte er wahrhaft für die Menschen getan?
    Im Ministerium wurde er mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen. Minutenlang haspelte ein bleicher Mitarbeiter Floskeln hervor, deren Herzlichkeit ihre Vielzahl ergänzte. Grünspan lobte den Umstand, daß auf dieser Leitungsebene noch Menschen tätig waren. Nichts Schlimmeres, wäre dieser Augenblick durch das Kunstlob eines Automaten aufgebläht worden. Da saß ihm eine Persönlichkeit gegenüber, die den Wert seines Wirkens in weltweite Zusammenhänge stellte, deren Denken von Strategien geprägt war, deren Schöpfertum Netze flocht, sinnvolle Konstruktionen, um das Chaos der Welt zu ordnen. Hier war er zu Hause, hier begegnete er seinem Wesen. Er fühlte sich verstanden. Ein solcher Mensch irrte nicht. Klar und prägnant formulierte sein Mund Sätze von Gewicht. Das war das Lob, das ihm gebührte. Wie banal wirkte dagegen der erkennende Blick eines Passanten! In dieser Sekunde war er froh, daß er nicht stattgefunden hatte. So konnte er seine aufrichtige und unverbrauchte Freude einem Menschen widmen, der würdig war, sie zu empfangen.
    Eben diskutierten sie freimütig Fragen der Wirtschaftsstruktur von Eridanus Phi, als Grünspan in seinem Rücken das Öffnen der Tür wahrnahm.
    Sein Gegenüber wollte hochschnellen, doch wie auf einen geheimen Wink sank er wieder zurück und verwandte die einmal aktivierte Energie zu einem schneidigen: »Fahren Sie fort, mein Bester!«
    Grünspans Instinkt erwies sich als richtig, denn als er seine Ausführungen beendete, ertönte hinter ihm ein Bravo.
»Da hat man endlich einmal einen klugen, aufmerksamen Menschen in die Welt hinausgeschickt!«
Solch unverblümte Worte überzeugten Grünspan vollends von der hohen Stellung dessen, der sie aussprach. Er

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