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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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stellt eine Idee dar. Tragen Sie eine ins Universum, und Sie werden eines Tages Ergebnisse ernten, wo Sie heute mühsam Körnchen suchen.«
Der Wagen raste die Magnetspur entlang. Hinter Regenschleiern verborgen, begleiteten rechts und links ihren Weg Waldkulturen. Hier und da unterbrachen Wiesen ihre Front.
»Wie schön«, bemerkte Grünspan. »Als ich fortging, verschandelten noch Äcker das Land. Was für eine Entwicklung!«
»Es ist ein Segen«, bestätigte ihn Penser, »Jahrtausende litt die Menschheit unter dem Trauma der Mißernte. Dem Zufall ausgeliefert.«
»Sehen Sie«, Grünspan lächelte, »wir haben Bedingungen geschaffen. Die Produktion von synthetischen Nahrungsmitteln. Das ist der Fortschritt.«
Penser antwortete nicht. Erst nach einer Weile wandte er den Blick von der vorüberrasenden Landschaft ab und bemerkte anscheinend völlig zusammenhanglos: »Welch eine Kultur drückt sich in der Anlage dieser Wälder aus! Ja, es könnte eine paradiesische Welt sein.«
»Sie ist es, mein Lieber, da bin ich sicher! Vor zehn Jahren fehlte nur noch ein geringes Stück zur Beherrschung der Natur. Was wollen Sie mehr?«
Wußte Penser keine Antwort? Wollte er keine geben? Faßte er die Frage als bloße Redewendung auf? Es war Grünspan nicht einmal klar, ob er auf eine Erwiderung wartete. Eigentlich war zu dem Thema alles gesagt. Das Schweigen war angenehm.
Hinter ihnen blieb der Regenvorhang zurück. In der Ferne tauchte die Silhouette der Metropole auf. Unfaßbar schnell für menschliche Sinne näherten sie sich dem Weichbild.
Penser wollte ihn überreden, mit ihm zusammen zu Mittag zu speisen. Doch Grünspan trieb es weiter ins Zentrum, zum Ministerium für Transplanetaren Handel. Er schob die Dringlichkeit der Berichterstattung vor. In Wirklichkeit stand es ihm völlig frei, diese Formsache morgen oder am darauffolgenden Tag zu erledigen. Er log mit einem gewissen Bedauern. Aber das Bild ministerieller Geschäftigkeit, das – von seinem Erscheinen tangiert – erstarrte, faszinierte ihn. Außerdem, redete er sich ein, würde er solange keine Ruhe finden, als ihn das Unerledigte belastete. Er verspürte in sich den Drang zu Neuem, zu Größerem. Gespenstergleich umgaben ihn unbekannte Möglichkeiten. Er mußte wieder tätig werden, vorwärts, nicht zurück. Nie wieder würde er sich hinter einem Schreibtisch verkriechen können und seine Zeit damit zubringen, seinen Chef zu beaufsichtigen, einen dreifach parallel geschalteten Halbautokraten, der ohnehin niemals Fehler machte.
Penser äußerte den Wunsch auszusteigen. Sie drückten sich beim Abschied gegenseitig den Vorzug ihrer Gesellschaft aus. In der Tat verspürte Grünspan in Pensers Gegenwart eine Überlegenheit, die ihn seiner selbst bestätigte. Ihr Gespräch hatte ihn ermuntert und mit neuer Zuversicht versehen. Sie schüttelten sich die Hand und wünschten sich Glück. Im stillen war Grünspan der Überzeugung, Penser könne es wohl gebrauchen.
Zum Flug in die Innenstadt stieg das Fahrzeug senkrecht hoch. Grünspan sah Penser winken, bis er zum Punkt zusammenschrumpfte. Ja, selbst der Punkt schien noch immer zu winken. Diese Anhänglichkeit verwunderte und erfreute ihn. Was für ein freundlicher Mensch. Bedauerlich, daß er für die Welt offenbar verloren war. Jemand müßte sich seiner annehmen. An diesem Punkt war er froh, daß ihre Wege sich nie wieder treffen würden. Ein solches Gemüt war ihm fremd.
Wichtigeres nahm seine Gedanken in Anspruch, denn zweifellos ist der Abschluß eines erfolgreichen Lebensabschnitts, der Beginn eines neuen, ein wesentliches Ereignis.
Schon spürte seine Hand den Druck der Anerkennung, sein Ohr vernahm die Laudatio:
Den teuersten Gütern irdischer Zivilisation, irdischer Kultur, hat Grünspans Pioniergeist im Kosmos Tür und Tor geöffnet. Aus bescheidenstem Anfang hat er ein Erzeugnis menschlichen Geistes unter die Völker – mochten Dunkelsonnen ihren Tag begleiten oder blauweiße Zwerge – im Umkreis von fünfhunderttausend Lichtjahren verbreitet.
Die Landung entriß ihn seinen heitergestimmten Entwürfen. Der Platz vor dem Ministerium glich einer Arena. Zuschauer waren Akteure und Akteure Publikum. Niemand und nichts existierte für sich. Jedes sog alles auf. Eine gewaltige Bewegung erfaßte Grünspan. Er strebte, das Zentrum der Welt mit sich selbst in Übereinstimmung zu bringen. Er gehörte dazu. Dieses Leben sollte ihn aufsaugen. Es drängte ihn, der Freundlichkeit des Daseins Ausdruck zu verleihen. Jetzt

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