Störgröße M
beleidigende Verdächtigung auszusprechen.«
Bender fiel ihm ins Wort. Seine Stimme überschlug sich. »Macht euch doch endlich einmal klar, es geht nicht um irgendeinen Tageserfolg, um ein paar lausige Klumpen Erz oder dergleichen. Die Zukunft unserer Kinder, der gesamten Menschheit steht auf dem Spiel!«
»Ich glaube, du spielst das hoch«, sagte Gendries kühl. »Der fünfte Planet ist nicht schlechter als der vierte. Nun gut, vielleicht wachsen einem die Trauben da nicht ins Maul. Aber es ist eine fruchtbare Welt. Ich frage mich, ob unser Leben der angemessene Preis für eine Tropenidylle ist.«
Seltsam, dachte Laurenz, hatte das nicht die ganze Zeit auf der Hand gelegen? Genau das hätte er aussprechen wollen, hatte jedoch gezögert wie oft in seinem Leben. Der warme Mantel der Unentschlossenheit umgab ihn schützend. Er flüchtete sich in die Überprüfung der Sprungparameter. Allerdings nahm die Arbeit nur einen Teil seiner Aufmerksamkeit in Anspruch. Mit einemmal wollte ihm banal vorkommen, was sein Leben bislang ausfüllte: Arbeit, Erfüllung eines Auftrages, Pflichten, die Fähigkeit zu lieben, sei es eine Tätigkeit oder eine Frau. All die Vorstellungen flossen in einer Sehnsucht mit verhülltem Angesicht zusammen. Unaufmerksam verfolgte er die Angaben des Automaten. Lächerlich, ein Leben lang hatte der Apparat seine Aufgabe fehlerfrei erfüllt, und ebensolange hatte er seine Konzentration darauf verschwendet.
»Habt ihr denn gar keinen Ehrgeiz?« fragte Bender in die Stille. »Wo ist eure Begeisterung geblieben?«
»Ehrgeiz?« Laurenz schreckte auf wie aus einem unruhvollen Schlummer. »Diese Begeisterung hat bereits ein Menschenleben gefordert.«
»Niemand hat ihm gesagt, er solle nach vorn gehen.« Sachlich wie eine Instruktion formulierte Bender die Antwort. »Im übrigen tut es mir selbstverständlich leid.«
»Ersparen wir uns Phrasen«, sagte Parchold. »Wichtig ist nur eins, dein Geschrei nach dem Sieg hat ihn das Leben gekostet.«
Wie um Kraft für den Sprung zu sammeln, schien sich Bender in den Sessel zu ducken. In überaus normalem Entgegenkommen jedoch bemerkte er: »Als es darum ging, die Herausforderung anzunehmen oder nicht, habt ihr sowie die gesamte Mannschaft zugestimmt. Und nun«, seine Stimme hob sich um Nuancen, »verlange ich Disziplin!«
Parchold brach in ein solches Jedermannsgelächter aus, daß dessen Absonderlichkeit auch dem letzten auffiel. »Machen wir uns doch nichts vor, es war schon auf der Erde beschlossene Sache. Der Auftrag lautete, alles, aber auch alles zu tun, um zu siegen. Das entbindet niemanden, dich schon gar nicht, Bender, von der Verantwortung. Jeder, der denken kann, darf dieses Rennen nicht weiter verantworten.«
Benders Augen zogen sich böse zusammen. »Frage einmal die Mannschaft, jeden einzelnen. Sie sind voller Begeisterung und Stolz. Sie bringen Opfer für den Sieg, sie tun ihr Bestes. Und das erwarte ich auch von euch.« Mit einer heftigen Bewegung legte er die Antriebsaggregate still. Das singende Vibrato erstarb.
Natürlich, dachte Laurenz. Es wäre absurd, sollte einer nicht stolz auf einen Sieg sein. Jeder, der die Raumfahrtlaufbahn einschlägt, tut das in der Hoffnung, wenigstens einmal einer Siegermannschaft anzugehören.
Kehrten Hyperraumkreuzer von Fernflügen zurück, überrollten Fieberwellen die Erde, in welchen selbst die wichtigsten Tagesereignisse zu Banalitäten herabsanken. Wer irgend konnte, machte sich auf, an der Begrüßung der Sieger teilzunehmen. Verkehrsmittel und Hotelzimmer waren schon Monate vorher ausgebucht. Tagelang füllte Chaos Straßen und Plätze; die Städte in der näheren Umgebung des Landeplatzes waren überflutet von Menschen aller Nationalitäten. Spontan entstanden Volksfeste, die in sich ein Wettstreit waren um die Gunst des Publikums. Doch allen Beifall übertraf der Jubel, näherte sich der Konvoi der Kosmonauten. Kein Künstler, kein Staatsmann, kein Athlet und kein Heerführer hatte je solchen Applaus geerntet. Nichts Vergleichbares verzeichnete die Geschichte der Menschheit. Vom Lärm betäubt, sollen Vögel vom Himmel gefallen sein, und wochenlang mieden Mäuse und Ratten die Keller der Städte, über die der Jubelschrei hinweggebraust war.
Anstrengende Zeiten begannen für die Sieger. Die ganze Erde wollte sie zu Gast haben. Wo sie nicht selbst sein konnten, nahm man mittels des Hypnosimultans an rauschenden Banketts und beeindruckenden Massenveranstaltungen teil.
Zweimal schon hatte Laurenz den Rummel
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