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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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Körper fehlte die gewohnte Kraft. Er kam sich ausgelaugt vor wie ein Stück Treibholz im Wasserstrom. Das verschuldete nicht die Anstrengung der Wache. Er sehnte sich nach einer Höhle, in die er sich kauern konnte wie ein Tier. Unlösbar hatte ihn das Schicksal mit Bender verkettet. Nie war ihm ein Zweifel gekommen, daß dessen Weg auch für ihn den besten darstellte. Bender war der Ältere, der Erfahrenere, der Kühnere, der Bessere, was nicht noch. Er lachte lautlos. Woher diese Gläubigkeit? Wegen der Angst ums Leben? Bestimmte ihn nicht dieselbe Angst, sich jetzt gegen Bender zu stellen? Eigensinnig schüttelte er den Kopf. Warum nur versteckte er vor sich selbst die Sorge um Parchold, um Gendries? Was für eine Unabhängigkeit wollte er sich bewahren? Lange Zeit hatte ihn der Zufall keine Freunde treffen lassen. Der Zufall? Was soll die Spiegelfechterei, dachte er mürrisch.
Ein Tropfen des Kaffees drang ihm in die Luftröhre, zwang ihn zu husten. Nicht Bender hatte ihn getäuscht. Er selbst hatte sich in die Irre geführt. Konnte er Bender gram sein, weil der so geblieben war, wie man ihn gelassen hatte? Mitleid schien wirklich nicht angebracht zu sein. Aber immerhin beanspruchte dieses Gefühl einen Moment lang seine Aufmerksamkeit, so daß er sich verschluckte und bis zur Atemnot hustete. Bender brauchte kein Mitleid. Oder doch…?
Das Licht erlosch. Alarmtöne quollen aus der Dunkelheit. Klingend zerspringendes Glas ritzte die Schwärze rings um ihn. Alarmstufe drei nur. Er blieb sitzen. Die Notbeleuchtung erhellte den Raum zur Düsternis, eine geheimnisvolle Tiefe entblößend wie verhüllend.
Aus der Dunkelheit kam jemand auf ihn zu. Ehe er das Gesicht erkennen konnte, identifizierte er die Kompaktheit der Silhouette. Es war Parchold.
»Setz dich, mein Lieber.«
Parchold kicherte. »Entschuldige meine Heiterkeit. Aber ich habe es vorausgesehen. Irgendwann stehen wir im Dustern und frieren. Trinkst du einen Schluck?«
Zu Laurenz’ Lasten entnahm er dem Magazin eine Flasche, griff im Vorbeigehen zwei Gläser aus dem Fach und kehrte an den Tisch zurück.
»Herrgott ja«, sagte Laurenz, »ich habe völlig vergessen, daß es noch Dinge gibt, die gut schmecken. Seit Wochen ist mein Kontingent unangetastet. Ich könnte mich sinnlos besaufen.«
»Kommandanten sind immer im Dienst.« Aus der Dämmerung leuchtete Parcholds diabolisches Gesicht. »Auf unseren Sieg.«
Überrascht hob Laurenz sein Glas. Er hätte Spott von Parchold erwartet. Das aber klang ernst. Eine neue Spielart seiner Ironie?
»Trink schon«, sagte Parchold, »ich meine es durchaus ernst.«
Der Kognak wärmte angenehm. Trotzdem war die Welt nicht in Ordnung. Laurenz behielt das Glas in der Hand. Er sah Parchold vor sich, sitzend in seiner Feistheit, unerschütterlich inmitten der uneinnehmbaren Festung seines Leibes. Da beschlich ihn der Wunsch, so zu sein wie er. Nicht wie Bender? Konnte man Vorbilder wechseln wie Hemden?
Er musterte Parchold. »Seit wann glaubst du nicht mehr an unseren Sieg?«
»Ich habe noch nie an ihn geglaubt.«
»Hältst du ihn für überflüssig?«
»Mehr noch, ich fürchte ihn.«
»Aber du trinkst darauf.«
Parchold nickte ernsthaft.
Laurenz schwieg in Erwartung einer eindeutigen Antwort. Schließlich sagte Parchold: »Dir fehlt ein bißchen Humor. Irgendwie ist dir diese Eigenschaft abhanden gekommen. Bender hat dich verbogen.«
»Himmel«, sagte Laurenz, »du kannst ja alles mögliche gegen Bender haben, aber das wäre ganz allein meine Sache, Privatkram. Was soll Bender damit zu tun haben? Nein, nein, hier irrst du. Du willst ihm was anhängen. Sei nicht kleinlich.«
Parchold genoß seinen Kognak. Seine Worte schienen mehr zu meinen als ihre gegenwärtige Situation. Sie war maßgeblich von Bender herbeigeführt worden, darin bestand nicht die Frage. Welche Umstände spielten noch eine Rolle? Bender sollte ihn verbogen haben? Wie meinte Parchold das? Zeichnete Bender nicht sein stählerner Wille aus, den er einsetzte, um den Erfolg für alle zu erringen? Stellten dreizehn Jahre nicht eine unerschütterliche Garantie dar? Mißtrauisch betrachtete er die Miene des Freundes. Ihre Bekanntschaft währte erst kurze Zeit.
Um das Schweigen zu beenden, fragte er: »Was meinst du, woher nehmen die anderen die Energie?«
»Geh, wie soll ich das wissen? Mir ist nur eins klar, wir haben sie nicht. Wir sind gezwungen, das Allerletzte aus unserem Schneckengehäuse herauszupumpen, selbst auf die Gefahr hin, daß es

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