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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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Richtung ihrer Schritte? Der Eingang zur Panoramakuppel öffnete sich als schmales Oval. Während des Fluges mit Unterlichtgeschwindigkeit war die Kuppel ein beliebter Aufenthaltsort. Doch während der Durchquerung des Hyperraums hielt sich freiwillig kaum jemand hier auf.
Draußen herrschte absolute Schwärze; wenig Licht ließ das Oval der Tür ein. In diesem Bereich der Welt, der jenseits aller Vorstellungskraft lag, existierten weder Sterne noch irgendeine bekannte Materieform ihres Universums. Hier war nur eine Geschwindigkeit möglich: größer als die des Lichts.
Von schützenden Feldern umgeben, rasten sie durch ein unbegreifbares Raumgebilde, das sie mit seiner Lichtlosigkeit so fest umschloß wie ein Handschuh. Es war, als lägen sie, in schwarze Watte verpackt, in einer Schachtel, die ein Riese in der Tiefe seiner Hosentasche mit sich herumschleppte.
Nach draußen zu blicken löste immer wieder Beklemmung bei ihm aus. Da war ein Draußen und doch nicht. Vielleicht erlebten Höhlenforscher etwas Vergleichbares, wenn sie von Tausenden Metern Fels eingeschlossen waren.
Unwillkürlich verringerten sie den Abstand zwischen sich. Er legte ihr den Arm um die Schulter. Die freien Hände streckten sie vor, um nicht unversehens an die Außenhaut der Kuppel zu stoßen. Schritt für Schritt bewegten sie sich vorwärts.
Die Finger ertasteten das Hindernis, als bestände es lediglich in ihrer Einbildung, und ein Gedanke genüge, es sich in Rauch auflösen zu lassen.
Ein Rahmen aus Ebenholz umschloß ihr Gesicht. In seiner Tiefe erschien sie ihm fern und verloren.
Er spürte einen Kitzel auf der Wange. Vielleicht ein Haar. Er meinte, ihre Haut zu spüren, ihren Atem. Darauf allein konzentrierten sich seine Sinne. Er fühlte sich körperlos. Zwischen ihnen lag kein Raum mehr.
Ihre Stimme überwand das Dunkel. »Hast du nicht einmal das Bedürfnis, irgendwo Erster zu sein?«
Wie um sich zu entschuldigen – wofür? –, küßte er sie.
Es gab möglicherweise eine Menge Antworten darauf. Viel mehr als nur ja oder nein, wesentlich kompliziertere. Er fürchtete, nicht die rechten Worte zu finden, und schwieg. Sie wartete. Schließlich lachte er laut, um es bemerkbar zu machen. »Hoffe nicht darauf, daß ich dich mißverstehe.«
Schatten trieben ihr Spiel in ihrem Gesicht. Während dieses Augenblicks wurde ihm klar, daß er etwas erklären mußte. »Gut, du hast Offenheit provoziert.« Er hielt inne. »Ich war oft genug in meinem Leben Erster, wahrscheinlich zu oft. Ich weiß nicht, was ihr alle von mir erwartet. Ich kann nicht…«
Das Geräusch einer heftigen Bewegung schnitt ihm das Wort ab. »Du hast mich doch mißverstanden.«
Sie glitt unter seinen Händen weg. Im hellen Türausschnitt sah er sekundenlang ihre Silhouette.
Er rief ihren Namen, aber die Beklemmung seines Zurückbleibens wollte nicht weichen. In seiner Brust war Stille. Das Herz schien hinter seiner Stirn zu hämmern. Hier unter dem Panzer des Schwarz, der sich auf ihn senkte und gänzlich umfing, wurde ihm seine Einsamkeit bewußt.
In all den Jahren, da er unterwegs gewesen war zu fernen Welten, da er als Sieger gefeiert wurde, da er an Orten weilte, wo Freunde nahe waren, Frauen seine Liebe begehrten, hätte er nie geglaubt, einsam zu sein. Jetzt erst wurde es ihm klar.
Alles, was das Leben eines Raumpioniers bereithält, hatte er besessen: Ruhm, Ehrungen, Wagnisse, Opfer, Spannung. Liebe, Feindschaft. Was aber hatte sein Leben letztlich bestimmt? Welcher rote Faden durchzog es? Schemenhaft tauchte Benders Gestalt vor ihm auf. Sein schmaler, kantiger Schädel, den weich und hell das kurzgeschorene Lockenhaar krönte. Die runden, sanften Augen, durch keinen harten Schwung der Brauen geschärft. Die kühne, leicht gebogene Nase, die kindlich vollen Lippen, unter die das Kinn energisch einen Schlußpunkt setzte.
Tatsächlich hatte er nie danach gestrebt, diesem Menschen gleich zu sein, Erster, gleich ihm; gleichen würde er ihm nie. Es war unmöglich, also wollte er es nicht.
»Sieh an, mein Erster träumt«, sagte Bender spöttisch. Er mußte schon eine Weile dort gestanden haben, daß sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
»Du kannst einen erschrecken«, sagte Laurenz. Mit einer Geste forderte er Bender auf, sich zu setzen.
Während er sich ihm gegenüber niederließ, bemerkte der Kommandant: »Igitt, das ist eine der ältesten Verdrehungen der Menschheit. Nicht ich, du selbst hast dich erschreckt.« Ein Lächeln vertiefte die Kerben seiner

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