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Stoff für viele Leichen

Stoff für viele Leichen

Titel: Stoff für viele Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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sind viel gefährlicher für den guten Ruf von Lévyberg
als meine. Aber sie ist seine Schwester. Gegen sie kann er nichts unternehmen,
ohne selbst einen Skandal hervorzurufen. Bei mir dagegen...Nun ja, mir wäre es
lieber, wenn er nicht erführe, daß...“
    „Ich habe keine Veranlassung, mit ihm über Ihre
Abenteuer zu reden... genausowenig wie mit seiner Schwester.“
    Diesen letzten Teil des Satzes betonte ich
besonders. Vielleicht schlief er mit ihr. Er ließ sich aber nichts anmerken.
„Um so besser“, sagte er. „Danke.“
    Wir verabschiedeten uns. Ich ging in Richtung France-Soir mit seinem Terrassencafé. In der Rue Réaumur blieb ich vor den Schaukästen
des Parisien libéré stehen und sah mir Fotos an. Auf einem war die
Concierge zu sehen, die vor kurzem einen goldenen Besen als liebenswürdigste
Concierge von Paris bekommen hatte. Ich bewunderte gerade ihr hübsches Gesicht,
als hinter mir erst Bremsen quietschten und dann jemand eins von diesen Wörtern
brüllte, weswegen er woanders disqualifiziert worden wär. Ich drehte mich um.
Ein Durchschnittsbürger, rot vor Zorn, erklärte einem Autofahrer, was er von
seinen Fahrkünsten hielt. Der Autofahrer fuhr einen Plymouth. Beinahe hätte er den Fußgänger über den Haufen gefahren. Der
Autofahrer schien nervös, antwortete jedoch nicht auf die Beschimpfungen.
Monsieur Lévyberg war von Natur aus kein großer Redner. Er hatte schon bei mir
seinen Vorrat an Antworten erschöpft. Von allen Seiten hupte es, und der
Fußgänger, der mit dem Schrecken davongekommen war, ließ von ihm ab. René
Lévyberg fuhr weiter.
    In dem Gebäude, das Léon Bailby für den Intran bauen ließ, dort,
wo sich früher die Cour des Miracles befunden hatte,
sind heute neben anderen Redaktionen und Druckereien die von France-Soir,
Franc-Tireur und Crépuscule. Kurz vorher sah ich das Auto meines
Millionärs wieder. Es parkte längs der kleinen Grünanlage. Ich trat in die
Halle des Pressehauses. Lévyberg verließ gerade das Annahmebüro für
Kleinanzeigen. Sah aus, als verfolgten wir uns. Ohne mir die geringste
Aufmerksamkeit zu schenken, trat er auf die Straße hinaus. Ich dagegen ging zum Crépu hoch in der Hoffnung, daß mich mein berühmter Freund, der
Journalist Marc Covet, zum Mittagessen einladen würde. Aber der gehört zu den
Leuten, die so was von weitem riechen. War gerade wegen einer Reportage in
einem trostlosen Vorort. Ich fuhr mit dem Aufzug in die siebte Etage. Dort in
der Bar bestellte ich mir einen Aperitif, setzte mich auf die sonnenbeschienene
Terrasse und beherrschte Paris. Seit 1944 sind ‘ne Menge Rastignacs hierher
gekommen, um zu träumen. Wie ich jetzt. Kostete auch nicht mehr.
    Moreno war in Spanien gestorben. Ich hatte zwar
seine Leiche nicht gesehen, aber seine Erschießung durch die Franqui-sten war mir
kurz nach der Veröffentlichung des Nachrufs im Libertaire von einem
glaubwürdigen Freund bestätigt worden. Lévyberg schien das nicht zu wissen.
Esther auch nicht. Oder sie wußte es vielleicht doch. Das blieb sich gleich.
Moreno konnte nicht zurückkommen. Das widersprach seinen materialistischen
Überzeugungen. Der anonyme Brief existierte — oder auch nicht. Wenn ja, war es
vielleicht das Werk eines Spaßvogels, der über die Jugendsünde der Jüdin im
Bilde war. Wenn es den Brief aber gar nicht gab, war das nur ein Vorwand, um
die Verbindung zu mir wieder aufzunehmen und mich bei sich einzuführen, in ihre
Familie. Ich machte ein paar hübsche Fragezeichen, die sich im Nu vermehrten.
Ich gab’s auf, bevor ich Kopfschmerzen bekam.
    Aber wie immer wurde ich von dieser verdammten
Schwäche getrieben, mich um Dinge zu kümmern, die mich nichts angehen. Wäre es
nicht interessant, sich das Haus Lévyberg mal aus der Nähe anzusehen? Und zwar
ohne Esthers Wissen, sozusagen Offenheit gegen Offenheit! Sie sollte was für
ihr Geld bekommen. Schade, daß bei Lévyberg keine Leute eingestellt wurden.
Irgendwie hätte ich jemand dort eingeschleust. Aber es wurde eben niemand
eingestellt, und... Ach, das war ja komisch: es wurde niemand eingestellt, aber
Lévyberg setzte Kleinanzeigen in die Zeitung. Außerdem bemühte er sich noch
persönlich hierher, um den Text abzuliefern! Komisch, komisch.
    Ich leerte mein Gläschen und fuhr wieder
hinunter in die Redaktion des Crépuscule. Hier kennt man mich. Covet war
zwar nicht da, aber ich schnappte mir einen seiner Kollegen. Ob er wohl bei den
Kleinanzeigen einen kenne, der es mit dem Berufsgeheimnis nicht

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