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Stoff für viele Leichen

Stoff für viele Leichen

Titel: Stoff für viele Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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zusammen und landete im Rinnstein, während seine Rechte in der Tasche
noch immer die Pistole umklammerte. Das Zucken der Leiche löste den
gefährlichen Mechanismus aus, und die kleinen Eisenstücke fegten im Tiefflug
über das Pflaster.
    Der Korse war nicht alleine gekommen, um sein
hoffnungsloses Ständchen zu bringen. Sein schmächtiger Freund, ebenfalls
schwarzhaarig und blaß, trat an seine Stelle und durchsiebte das kleine ruhige
Café. Inzwischen hatte ich mich in einer Art Feuerpause aus dem Staub gemacht.
Klar, daß auf der Straße rumgeschrien wurde. Die Autos, die so schnell wie
möglich vom Schlachtfeld fliehen wollten, hatten sich derart ineinander
verkeilt, daß man sie jetzt nur noch mit Dynamit befreien konnte. Ich weiß
nicht, mit wem mich der zweite Gangster verwechselte; jedenfalls schickte er
auch eine Kugel in meine Richtung, als er mich abhauen sah. Ich brachte mich
hinter einem parkenden Auto in Sicherheit und zog für alle Fälle meine Pistole,
bereit, mit dem ersten Verrückten, der mich als Zielscheibe benutzte, in dessen
Sprache zu reden. Ich war nicht der einzige, der hinter dem Auto hockte. Eine
Nutte hatte sich schon hierher geflüchtet, und fast gleichzeitig mit mir
tauchte ein vornehmer dunkelgekleideter Herr unter. Die Nutte war so schnell in
die Hocke gegangen, daß ihr zu enganliegendes Kleid aus den Nähten geplatzt
war. Was da zum Vorschein kam, erregte den vornehmen Herrn jedoch nicht. Dabei
war er doch sicher aus keinem anderen Grund als dem eines flüchtigen Abenteuers
hierhergekommen! Jetzt fühlte er sich aber überhaupt nicht mehr sicher. Und der
Hörapparat an seinem Ohr war völlig überflüssig. Auch ein Stocktauber hätte den
Höllenlärm der corrida gehört. Aber jedenfalls war der Schwerhörige
nicht blind. Als ich nämlich meiner Kanone frische Luft verschaffte, fuhr er
entsetzt hoch und wäre beinahe aus den Latschen gekippt. Die Nutte fühlte sich
auch nicht gerade sehr wohl.
    Schließlich beruhigte sich alles wieder. Zwei
oder drei Schüsse wurden noch abgegeben. Bestimmt nur, um die Konten
auszugleichen. Dann breitete sich tödliche Stille aus. Sie wurde von dem
wohlbekannten Heulen der Polizeisirene unterbrochen. Der Arm des Gesetzes
näherte sich.
    Ich steckte meine Waffe wieder ein. Die Nutte
und der feine Herr konnten sich von der Aufregung erholen und zur Sache kommen,
falls sie noch Lust dazu hatten. Ich ging zu dem Bistro, in dem so seltsame
Konzerte zum Aperitif gegeben wurden. Ein Dutzend Uniformierter forderten die
plötzlich zusammenströmenden Schaulustigen zum Weitergehen auf. Die Inspektoren
versuchten, sich von der Schlacht ein Bild zu machen.
    Hin- und hergeschubst, gelang es mir trotzdem,
einen Blick in das Bistro zu werfen. Die Spiegel und die meisten Flaschen
hatten dran glauben müssen. Wirt und Kellner waren unverletzt; sie lugten über
die Theke, hinter der sie sich geflüchtet hatten. Außer ihnen war niemand mehr
in dem Bistro. Nur noch die Leichen. Zwei an der Zahl. Beide in durchlöcherten
Anzügen zu 50 000 Francs . Einer lag vor der Theke, der
andere quer über einem Flipperautomaten. Die Musikbox dahinter leierte, von
einer Kugel getroffen, immer dieselbe Zeile aus einem bekannten Schlager.
Draußen lag Dante Paolizi im Rinnstein, ruhig und entspannt wie an einem lauen
Frühlingsabend in Ajaccio. Sein Freund im Windfang erinnerte an einen Sack
alter Kleider. Die schwerelosen Seelen von vier schweren Jungs schwebten
gemeinsam zur Hölle, von der wir soeben einen Vorgeschmack bekommen hatten.
    Die Flics dagegen waren wohlauf und schnauzten
die Leute an. Mit ihrem „Weitergehen“ in den verschiedensten Tonarten, vor
allem der nervösen Fassung, bemühten sie sich, den Menschenauflauf zu
zerstreuen. Der Einsatz ihrer Gummiknüppel rückte näher. Ich wollte gerade
ihrer Aufforderung nachkommen, als sie selbst mich daran hinderten. Immer
dasselbe mit ihnen. Man kann es ihnen nie recht machen. Plötzlich umklammerte
mich ein marineblaues Kraftpaket. Ein Inspektor tastete mich ab, als eine
Stimme sagte:
    „Vorsicht, der ist bewaffnet.“
    Ah! War das vielleicht ein kleiner Scherz dieses
feinen Pinkels, der gerade noch soviel Schiß gehabt hatte? Die Umklammerung
wurde fester. Der filzende Polyp befreite mich von meinem Revolver. Er
betastete mich noch weiter. Als er meine Pfeife berührte, stieß er ein
richtiges Triumphgeheul aus. Hielt sie wohl für den zweiten großen Fund! Ich
mußte über seinen Irrtum grinsen. Zum Ausgleich für die

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