Stoff für viele Leichen
so genau nahm
und mir ein paar Fragen beantworten konnte? Covets Kollege nahm mir meine Frage
zwar nicht übel, konnte mir aber nicht weiterhelfen. Ich machte noch ein paar
weitere Versuche, ohne Erfolg. Bevor ich was essen ging, kriegte ich wenigstens
noch raus, wann die Kleinanzeigen erscheinen, die gegen Mittag aufgegeben
werden. So mancher Detektiv muß sich mit weniger zufriedengeben.
Ich aß allein und ging dann in die Agentur Fiat
Lux. Dort quatschte ich mit Hélène, bis es vier Uhr war. Um vier holte meine
Sekretärin die Ausgaben von France-Soir, Paris-Presse und Crépu. Ich vertiefte mich in ihre Lektüre. Fehlanzeige. Keine Reklame für Lévyberg-Waren.
Überhaupt wendet man sich für solche Großanzeigen nicht an die Anzeigenannahme.
Ich schaute trotzdem nach. Jetzt die eigentlichen Kleinanzeigen. Vier Seiten in
dem einen, drei Seiten in dem andern und wieder drei Seiten in dem dritten
Käseblatt. Stellenangebote, Stellengesuche, Verkäufe, Vermietungen,
Verschiedenes. Keinmal der Name Lévyberg. Nicht einmal Lévy oder so. Und auch
kein Berglevy. Er hatte seine Finger offensichtlich in vielen Geschäften. Außer
seiner Tuchfabrik kannte ich jetzt schon ein Transportunternehmen. Bestimmt
hatte er noch eine Büstenhalterfabrik oder sonstwas. Es hätte mich aber
überrascht, wenn sein Name nicht irgendwie im Firmennamen auftauchte. Er schien
ziemlich von sich überzeugt zu sein. Jetzt handelte es sich aber vielleicht um
etwas streng Geheimes. Also, etwas für Nestor! Manchmal kombiniere ich
ausgezeichnet, aber man muß mir schon dabei helfen. Ich nahm mir nochmal die
Zeitungen vor und verdarb mir weiter die Augen. Wieder nix! Ich begann mir
einzureden, daß ich das Opfer eines Kombinationswahns war, daß die Nervosität
von René Lévyberg am Steuer seines Wagens keine besondere Bedeutung hatte und
daß ich ihn im Pressegebäude nur deshalb gesehen hatte, weil er einer
Angestellten aus der Anzeigenannahme nachstellte. Da kam mir die Idee, die
Spalte Verschiedenes genauer zu untersuchen. Viel gab es da nicht. Im Crépu sprang mir folgende Anzeige ins Auge:
Léa, Etienne, Viviane und Yvette. Gute
Nachrichten von Marceau.
Zwar kein Lévyberg, aber wenigstens ein Lévy
steckte da drin: Léa. Etienne. Viviane. Yvette. L.E.V.Y. Vielleicht nur eine
Fata Morgana. Vielleicht aber auch eine Spur. Es kam auf einen Versuch an.
Ich schnappte mir das Telefonbuch, suchte
Lévybergs Nummer raus und wählte sie. Dann legte ich ein Taschentuch über die Muschel.
„Hallo!“ sagte die neutrale Stimme einer
weiblichen Telefonvermittlung.
„Monsieur Lévyberg, bitte“, sagte ich mit
südfranzösischem Akzent.
„Wer spricht dort?“
„Marceau.“
„Und weiter?“
„Marceau Marceau. Vor- und Familienname.“
„Soll das ein Witz sein...?“
„Monsieur Lévyberg, bitte“, sagte ich jetzt
schroff.
Ein leises Knacken, dann drang die Stimme von
René Lévyberg an mein Ohr:
„Hallo!“
„Hier Marceau.“
„Ja.“
Er schien nicht überrascht. Nur seine Stimme
verriet Unruhe.
„Will Sie sehen.“
„Ja.“
Dadurch erfuhr ich nichts. Nur daß ich mit der
Anzeige ins Schwarze getroffen hatte. Aber ich bestritt den größten Teil der
Unterhaltung, nicht er. Umgekehrt wär’s mir lieber gewesen.
„Will Sie sehen“, sagte ich noch mal.
„Haben Sie das...“
Er stockte. Sicher sollte ich den Satz beenden.
Dazu war ich aber leider genausowenig in der Lage, wie die Wände hochzugehen.
„Hab ich“, sagte ich.
„Wo?“
Sollte ich jetzt sagen, wo ich ihn treffen
wollte? Ich nahm’s einfach mal an und suchte meine bistrokratischen Kenntnisse zusammen:
„Heute abend. Neun Uhr. Im Bistro Ecke
Beauregard und Rue Thorel. O.K.?“
Sehr fügsam, dieser René Lévyberg. Nur ein
leiser Seufzer. „In Ordnung...“
Plötzlich stutzte er, so als wittere er eine
Falle:
„...Heute abend? Etwas schnell. Ich hab kein Er
ließ den Satz in der Schwebe. Ich ließ ihn schweben. „Heute abend“, wiederholte
ich in dem Ton desjenigen, der es gewohnt ist, daß man ihm gehorcht.
„Aber ich hab Sie noch nie gesehen und Darauf
war ich nicht gefaßt gewesen.
„Brille“, sagte ich. „ Mystère-Magazine in
der Hand. Coca-Cola auf dem Tisch.“
„ Mystère-Magazine!“ rief er und lachte
wie eine verrostete Gießkanne.
Ich sagte nichts mehr. Wartete ab. Er legte auf.
Ich auch. Ich hatte was an der Angel.
Gute Nachrichten, gute Adressen
Meine Uhr zeigte zwanzig nach zehn. Ich wartete
alleine in meinem Büro
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