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Stoff für viele Leichen

Stoff für viele Leichen

Titel: Stoff für viele Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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pikanter.
Wie’s der Zufall will... äh... Kurz, Rue de la Lune. Eine Buchhandlung. Ganz
einfach. Kriminalromane, Reisebeschreibungen, Memoiren von Politikern. Vor dem
Krieg hieß es Les Heures Claires. War auch ‘ne Buchhandlung, allerdings
eine ganz besondere. Inhaberin war Mademoiselle Lucette. Möglicherweise ist sie
das immer noch. Oben haben sie sehr bequeme Betten.“
    „Ein Puff?“
    „Jawohl, alter Freund. Paßt Ihnen das nicht?“
    „Sie scheinen das Etablissement zu kennen.“
    „Und das paßt Ihnen auch nicht?“
    „Doch, doch. Sie sind Junggeselle und kriegen
ein gutes Gehalt.“
    Er prustete los:
    „Vor allen Dingen krieg ich ein gutes Gehalt.
Ich weiß nicht, was ein Junggeselle..."
    „Sehr richtig. Wie stellt man sich dort vor?“
    „Mit Robert. An der Tür links neben dem Laden
dreimal kurz klingeln. Erster Stock.“
    „Danke.“
    „Keine Ursache. Viel Spaß.“
     
    * * *
     
    Ich hoffte, daß die Mädchen in dem Laden weniger
häßlich waren als der komische Vogel, der mir die Tür öffnete. Diese
Rausschmeißer haben immer so einen ausgelatschten Gang und einen trägen Blick.
    „Robert“, sagte ich.
    Er räusperte sich und musterte mich von oben bis
unten. Dann sagte er mit affiger Stimme:
    „Robert war letzten Monat dran.“
    „Ich hab den Tip von einem, der so langsam alt
wird“, lächelte ich. „Wenn der dreimal im Jahr herkommt, dann ist das schon
viel.“
    „Kommen Sie“, sagte der Bursche.
    Die Anweisungen lauteten wohl, niemand daran zu
hindern, Erfahrungen zu sammeln. Mit wiegenden Hüften ging er voran und führte
mich in eine Art Salon. Dort erwartete mich die Puffmutter, eine Bohnenstange
mit faltigem Hals, die Marthe Richard entfernt ähnlich sah. Ganz Madame. Ihr
strenges Kleid ließ keinen Fingerbreit Fleisch sehen. Liebenswürdig hieß sie
mich willkommen und erkundigte sich nach meinen Wünschen. Es konnte auch was
Ausgefallenes sein. Dann drückte sie auf einen unsichtbaren Knopf, worauf fünf
überreichlich parfümierte Miezen ins Zimmer tänzelten. Die ganze Palette:
Blond, brünett, rötlich, platinblond, dazu, für die imperialistischen Gelüste
der Kundschaft, die obligatorische Farbige. Wenn ich meine perversen Neigungen
mal beiseite ließ, wär’s mir am liebsten gewesen, man hätte mir den Sherlock
Holmes gebracht, der die Ergebnisse seiner Mission an diesen seltsamen Ort
weitergegeben hatte. Meine Wahl fiel auf die Kleine mit den rötlichen Haaren.
Marion. Sie trug ein malvenfarbenes Seidenkleid, vorne dekolletiert bis zum
Bauchnabel, hinten offen bis etwas unterhalb der Taille, an der Seite
geschlitzt. Ihre Beine steckten in Nylonstrümpfen Nr. 15 und balancierten auf hohen,
spitzen Absätzen. Sie versprachen gepflegte Gastlichkeit. Marion war jung und
hübsch, schien aber nicht gerade das Schießpulver erfunden zu haben. Bestimmt
konnte sie mich mehr als glücklich machen.
    Wir verzogen uns ins sogenannte Japanische
Zimmer, zusammen mit einer Flasche. Ob sie tatsächlich Champagner enthielt,
mußte sich erst noch zeigen.
    Nach einer Weile spielte ich den Vergeßlichen
und erinnerte mich plötzlich daran, daß ich dringend anrufen mußte. Ich fragte
Marion nach einem Telefon.
    „Im Laden steht eins“, erklärte mir das Mädchen.
„Aber das benutzt nur die Chefin. Wir dürfen nicht telefonieren, die Kunden
auch nicht.“
    „Auch nicht für Geld?“
    Sie lachte:
    „Sie kommen nicht hierher, um zu telefonieren.
Hier ist kein Postamt.“
    „Stimmt“, sagte ich resigniert. „Ich will dir
wohl glauben, daß das hier kein Postamt ist. Schon eher eine Finanzkasse. Du
gefällst mir, Marion. Sogar sehr. Wenn das nicht so ins Geld gehen würde, würd
ich dich öfter besuchen. Aber das haut einen ja um, ich bin mein Geld schon
fast los... Hier kommen sicher stinkreiche Kerle hin, hm? In diesem
Geschäftsviertel... Die Juden sollen ganz scharf drauf sein...“
    Das konnte ich ruhig sagen, ohne zuviel Neugier
zu verraten.
    „Juden oder Nicht-Juden“, sagte Marion. „Die einen
bezahlen, ohne hinzusehen, die andern sehen hin.“
    „Ich gehör mehr zu denen, die hinsehen“, lachte
ich. „Sag mal, könnten wir zwei uns nicht irgendwie einigen? Es kotzt mich an,
wenn ich mir überlege, daß du von meinem Geld nur ‘n kleinen Teil kassierst.
Wohnst du hier?“
    „Nein. Warum?“
    „Na ja, ich dachte da so an Heimarbeit... Würd
sich doch lohnen für dich, oder?“
    Sie bewegte das Angebot in ihrem hübschen
Köpfchen. Um ihr das Nachdenken zu

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