Stolz der Kriegerin
entrückt. Die wenigsten Zuschauer an der Straße erkannten ihre wirkliche Farbe, sondern hielten sie für eine Blaue. Das gleiche Schicksal erlitt auch Borlon. Niemand aus der gaffenden Menge konnte sich vorstellen, dass es ein Wesen von weißer Götterfarbe wagen würde, nach T’wool zu reisen. Selbst die Priester, die es besser wussten, taten zumindest so, als hätten sie Anhänger Ilynas vor sich.
Rogon interessierte sich mehr für die Stadt als für die Priester und ließ seinen Blick durch die Straßen schweifen. Hier herrschte eine andere Architektur vor als in seiner Heimat. Die Häuser bestanden aus Stein und nicht aus Fachwerk, die Gassen waren so gerade, als hätte man sie mit dem Lineal gezogen, und überall standen übermenschengroße Denkmäler von Helden, Königen und hohen Damen aus alter, tawalischer Vergangenheit. Als sie am Tempel von Tawaldon vorbeiritten, entpuppte dieser sich als sechseckiges Bauwerk von immensen Ausmaßen, das wohl die Fläche von halb Andhirrah eingenommen hätte.
Dem Tempel gegenüber lag der Palast, der noch größer war und ebenfalls einen sechseckigen Grundriss besaß. Ein gewaltiges Tor führte in den von einer hohen Mauer umgebenen Park. Kolossalstatuen des Gründerkönigpaares Arendhar I. und Königin Imendah, die durch ihre Heirat die früheren Fürstentümer Ober- und Untert’wool vereinigt und damit das Königreich T’wool geschaffen hatten, flankierten den Eingang.
»Beeindruckend, nicht war?«, flüsterte Ondrath Rogon zu.
Dieser schüttelte sich. »Eher bedrückend, würde ich sagen. In einer solchen Stadt möchte ich nicht leben. Es ist alles so gigantisch, dass man glaubt, selbst nur ein Wicht zu sein. Für mich ist es kein Wunder, dass die Wardan dieses Land nicht lieben.«
Ondrath wollte etwas darauf antworten, kam aber nicht mehr dazu, weil nun Knechte herbeieilten und die Zügel entgegennahmen. Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt Rogon aus dem Sattel, während Jade wartete, bis er auf dem Boden stand, und dann auf seine Schulter sprang. Mit der Katze, den zwei Schwertern und der Laute wirkte der junge Mann so eigenartig, dass die Knechte nicht wussten, wie sie ihn einordnen sollten.
Arendhar kam ihnen schließlich zu Hilfe. »Das hier ist Herr Rogon a’Gree, den ich aufgrund seiner Verdienste zum Ritter von T’wool ernannt habe. Er hat ebenso großen Anteil an der Niederwerfung der Rebellen wie die Dame Laisa und …«
»Natürlich Seine Majestät höchstselbst!«, unterbrach Tharon den König. »Ich selbst habe nur ganz zuletzt eingegriffen, um den Aufständischen ein Blutbad zu ersparen. Viele von ihnen waren keine wirklichen Verräter, sondern sind nur ihren Anführern gefolgt!«
Ein warnender Blick traf Arendhar. Für die Welt musste es so aussehen, als hätte dieser seine Feinde mit eigener Hand niedergeworfen. Ein zu starkes Einwirken seinerseits würde den König schwach erscheinen lassen, und nach den Erfahrungen der letzten Zeit konnte Arendhar sich keine weiteren Unruhen in T’wool mehr leisten.
☀ ☀ ☀
Der König führte seine Gäste persönlich in den Palast und tat so, als bemerkte er nicht, dass die Lakaien, die Knechte und die Dienerinnen neugierig hinter ihm herschauten und nicht genug den Kopf über die seltsame Gesellschaft schütteln konnten, die er mitgebracht hatte. Aber auch seine Gäste sahen sich verwundert um. Das riesige Gebäude war monumental ausgestattet, wirkte aber so kühl, dass zumindest Ysobel fröstelte. Überall standen Statuen, so dass Laisa Rogon zuflüsterte, so viele Helden könne T’wool doch nicht hervorgebracht haben, wie hier verehrt wurden.
Der große Saal war ebenfalls aus schwarzem Stein errichtet, besaß aber große Fenster, die genug Licht hereinließen, um die Düsternis zu vertreiben. Die junge, hochgewachsene Dame, die sie dort erwartete, verneigte sich zuerst vor dem König und dann vor Elanah. Noch bevor Laisa ihrer ansichtig wurde, sagte ihr die Nase, dass es sich um Heklah handelte, die einstige Sklavin aus Maraandlion, die sie auf ihrer Reise bis nach T’woollion begleitet hatte. Damals war Heklah, die einer ausgerotteten, adeligen Familie des Südens angehörte, in Arendhars Dienste getreten, um Hofdame bei dessen zukünftiger Gemahlin zu werden. Wie es aussah, hatte sie ihr Ziel nun erreicht.
Laisa kümmerte sich nicht um die Begrüßung, die Heklah ihrer neuen Herrin zukommen ließ, sondern sah sich ungeniert um. Obwohl sie wirklich nicht auf helle Farben versessen war,
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