Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
zurückdachte. Ihn dazu zu bringen, Mors Medizin zu nehmen, hatte tatsächlich einiges an Überzeugungsarbeit erfordert. Es war schon erstaunlich, was sie alles mit ihren Händen bewirken konnte.
Und dennoch, es waren erst wenige Tage seit seiner Verletzung vergangen. »Ja, aber …«
Er machte ihrem Protest mit einem Kopfschütteln ein Ende. »Ich verspreche dir, dass ich vorsichtig sein werde, aber ich werde heute zu meinen Pflichten zurückkehren.« Sanft liebkoste er ihre Wange. »Wir können nicht für immer hier drinnen bleiben, Caitrina.«
Und uns verstecken. Als sie die unausgesprochene Ermahnung hörte, hob sie den Blick und sah ihm in die Augen. »Ich weiß.« Er hatte recht. Es war nicht einfach nur seine Wunde, die ihr Sorgen machte; es war das Eindringen der Realität in die Oase, die sie sich in diesem Zimmer geschaffen hatten. Was sie hier hatten, wurde nicht durch Clan-Loyalitäten und Pflicht erschwert und verkompliziert. Hier gab es nichts, das zwischen sie kommen konnte. Es war feige von ihr, aber sie wollte ihn noch ein kleines bisschen länger für sich haben.
Resignierend setzte sie sich zurück aufs Bett und sah ihm zu, wie er sich fertig anzog und das breacan feile an der Schulter mit der Nadel feststeckte, die ihn als Chieftain auszeichnete. Als Campbell -Chieftain, wurde ihr bewusst, als sie den Eberkopf erkannte, der die Wildheit der Campbells in der Schlacht symbolisierte.
Als er fertig war, zog er sie auf die Füße und hob sanft ihr Kinn, so dass sie ihn ansehen musste.
»Du vertraust mir doch, oder, Caitrina?«
»Du weißt, dass ich das tue.« Wie schon so oft in diesen letzten paar Tagen versuchte sie, ihre Gefühle auszusprechen, doch die Worte wollten ihr nicht über die Lippen kommen. Ihre Gefühle waren noch zu stark mit Ängsten belastet. Die Wunden der Vergangenheit waren noch nicht verheilt. Und
obwohl es offensichtlich war, dass er sehr viel für sie empfand, war sie sich immer noch nicht sicher, wie stark seine Gefühle waren. Sie wollte das zarte Gefühl der Ausgeglichenheit, das sie in den letzten Tagen erreicht hatten, nicht zerstören.
Es war noch zu früh.
»Dann werden wir das beide gemeinsam durchstehen.«
Sie wollte ihm so sehr glauben, doch sie gab sich auch nicht der Illusion hin, dass es einfach werden würde. Sie betete, dass dieses neue Band zwischen ihnen stark genug war, um jedem Sturm zu widerstehen, den das Leben für sie bereit hielt, denn sie fürchtete, dass dieser Sturm ein heftiger werden würde.
Der Regen setzte nicht einmal eine Stunde später ein.
Caitrina hatte gerade beim Frühstück den letzten Bissen Haferkuchen in den Mund geschoben, als sie den Ruf hörte, dass ein Bote angekommen war. Das war nichts Ungewöhnliches, deshalb schenkte sie der Sache keine besondere Beachtung, doch sie war umso überraschter, als Jamie den Saal wenige Minuten später wieder betrat, nachdem er sich eigentlich schon auf dem Weg nach Ascog befinden sollte. An seinem grimmigen Gesichtsausdruck erkannte sie, dass etwas nicht in Ordnung war. Ganz und gar nicht in Ordnung.
Sie stand von der Tafel auf und eilte zu ihm, ohne auf die missbilligenden Blicke von Seamus und seinen Männern zu achten, deren Verachtung beinahe greifbar war. Ihre neugefundene Intimität mit ihrem Ehemann war nicht unbemerkt geblieben.
Sie ergriff seinen Arm und fühlte die Anspannung unter ihren Fingerspitzen. »Was ist geschehen?«
Sein Gesicht war hart und unnachgiebig, eine Maske grimmiger Beherrschtheit. Es war der erbitterte Ausdruck eines Mannes, der in die Schlacht zieht. Er sah von Kopf bis Fuß
wie ein Anführer, wie der gefürchtete Vollstrecker eines Königs aus.
»Ich muss fort«, sagte er ohne Umschweife. »Unverzüglich.«
Das Herz wurde ihr schwer. »Aber warum? Wohin gehst du? Wer hat nach dir geschickt?« Urplötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke, einer, der seine Reaktion erklären konnte. »Geht es um deine Schwester? Ist Elizabeth etwas zugestoßen?«
Er schüttelte den Kopf. »Es geht nicht um Lizzie. Die Botschaft war von meinem Cousin.«
Argyll . Das Herz wurde ihr noch ein wenig schwerer. »Oh.«
»Ich fürchte, es duldet keinen Aufschub. Ich muss sofort aufbrechen.«
»Aber du bist noch nicht wieder völlig genesen.«
»Es geht mir gut genug. Das hier kann nicht warten.« Er sah sie nicht einmal an. Seine Gedanken waren bereits bei dem, was immer ihn auch von ihr fortholte. Noch nie hatte sie ihn so gesehen – abwesend, ungeduldig …
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